Sie müssen erst noch klären, wer die Hand oben hat. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) stehen unter einer Brücke, an der Staatsstraße in Richtung Flughafen München. Hinter ihnen: Eine Art Mini-Tunnel mit Solarmodulen, der über die vierspurige Straße gebaut wurde.
Als sich Söder und Bernreiter geeinigt haben und gemeinsam den roten Knopf drücken, ist die erste Photovoltaik-Straßenüberdachung Bayerns offiziell eröffnet. Sie soll nun so viel Strom produzieren, wie 70 Haushalte im Jahr verbrauchen. Mit der neuen Anlage will die Staatsregierung technische Erfahrungen sammeln. Zum Beispiel wie man eine Straße überdachen kann, ohne den Verkehr zu beeinträchtigen, sagt Bernreiter: „Das muss wasserdicht sein, nicht, dass Wasser runtertropft und im Winter Glättegefahr entsteht.“
Bayern will seine PV-Leistung bis 2040 verdreifachen
Die Bayerische Staatsregierung setzt bei den Erneuerbaren Energien voll auf den Ausbau von Photovoltaik. Sonne sei die „große Stärke“ des Freistaates, sagt Söder. Bayern sei „PV-Champion“. Der Zubau sei größer als in Baden-Württemberg und NRW zusammen.
Ende 2024 lieferten die PV-Anlagen im Freistaat laut Bayerischem Wirtschaftsministerium 26,8 Gigawatt Leistung – etwa ein Viertel dessen, was in ganz Deutschland produziert wurde. Aber die Staatsregierung will mehr. Bis 2030 sollen 40 GW installierte Leistung erreicht sein, bis 2040 sogar 80 bis 100 GW.
Potenzial sieht die Staatsregierung dafür auch entlang von Verkehrswegen. „Wir haben so viele Straßen, die ohnehin versiegelt sind“, sagt Söder. Da mache Photovoltaik „natürlich viel mehr Sinn, als extra neue Flächen zu verwerten“.
PV-Überdachung teurer als vergleichbare Anlagen
Aber es geht auch um Wirtschaftlichkeit: Die PV-Überdachung in der Nähe des Münchner Flughafens hat etwa 4,2 Millionen Euro gekostet – und damit mehr als andere Anlagen mit vergleichbarer Größe. Wann die Anlage schwarze Zahlen schreibt: unklar. Bayerns Ministerpräsident sagt auf BR-Anfrage: Er halte das Projekt für skalierbar, schränkt später aber auch ein, es gehe nur in Serie, „wenn sich das halbwegs trägt“.
Im vergangenen Jahr hat der Freistaat etwa 30.000 Flächen entlang von Bundes- und Staatsstraßen zur Verpachtung und PV-Nutzung angeboten. Nur ein Bruchteil wurde bisher tatsächlich von privaten Unternehmen gepachtet – auch, weil die Flächen für eine wirtschaftliche Nutzung oft zu klein sind.
Rutger Schlatmann leitet das Kompetenzzentrum Photovoltaik am Helmholtz-Zentrum Berlin. Er sagt: Grundsätzlich sei es gut, alle Flächen, die ohnehin bereits belegt sind, auch für Photovoltaik zu nutzen. Eine extra PV-Überdachung sei aber wohl nicht die günstigste Variante: „Wenn man eh schon ein Haus hat und etwas aufs Dach legt oder integriert in die Fassade, dann ist es anders, als wenn man eigens eine Trägerstruktur baut auf einer Straße.“
Grüne kritisieren „Unterschied zwischen Fototermin und Realität“
Deshalb fordern die Grünen, anders zu priorisieren und vor allem ohnehin vorhandene Flächen mit Photovoltaik auszurüsten. „Wenn Lärmschutzwände gebaut werden an der Bundesstraße, an der Staatsstraße, an Autobahnen, kommt fast keine Solaranlage hin“, sagt der stellvertretende Grünen-Fraktionschef im Landtag, Johannes Becher. Die Staatsregierung müsse einiges ändern.
Zwar begrüßt Becher Forschung und Entwicklung zu PV-Überdachungen, kritisiert aber den „Unterschied zwischen Fototermin und Realität“. Über 90 Prozent der staatlichen Gebäude seien nicht mit PV-Anlagen ausgerüstet. „Das ist das Einfachste, was man machen kann, die Dächer zu nutzen, die Fassaden zu nutzen“, sagt Becher. „Damit fängt es an, wenn man es ernst meint mit den erneuerbaren Energien.“ Es sei Pflicht der Staatsregierung, sich um die eigenen Liegenschaften zu kümmern.
In der Bayerischen Bauordnung schreibt sich der Freistaat zwar vor, staatliche Gebäude mit Solaranlagen auszurüsten, aber nur „im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel“. Andere Bundesländer gehen noch weiter, setzen auch auf eine Solarpflicht beim Neubau von Wohngebäuden: Baden-Württemberg, Berlin, Bremen oder Niedersachsen zum Beispiel. In Bayern gibt es das nicht.
Staatsregierung prüft weitere Möglichkeiten
Bayerns Ministerpräsident zeigt sich offen für weitere PV-Initiativen. „Es gibt viele Möglichkeiten“, sagt Söder: bei Dächern, beim Parkraum. „Wir reden darüber, wie wir das weiter machen können.“