Quagga-Muschel könnte das Ökosystem des Chiemsees verändern
Professor Herwig Stibor, Leiter des Departments für Aquatische Ökologie der LMU München, hat immer wieder mit invasiven Arten in den bayerischen Gewässern zu tun. Er sagt, die Muschel verändere das Ökosystem, zerstöre es aber nicht. Der See drohe nicht zu sterben, wegen der Quagga-Muschel: „Wir werden einen anderen See haben, vielleicht für immer, vielleicht nur für ein paar Jahre, aber es wird immer ein See sein, dessen Ökosystem funktioniert.“
Auch in anderen Seen macht die Muschel Probleme
Stibor hat als erster die Quagga-Muschel im Chiemsee nachgewiesen: „Zunächst hat man die Quagga-Muschel für eine andere Art gehalten, die schon länger bei uns heimisch ist.“ Doch da hat man sich getäuscht: Mit genetischen Analysen konnte er die etwa fingernagelgroße, gestreifte Muschel eindeutig identifizieren: Sie hat ihren Ursprung in der Schwarzmeerregion. Stibor sagte schon vor einem Jahr die mögliche Ausbreitung der Muschel vorher. Zwei Jahre vorher konnte er Ähnliches schon in österreichischen Seen beobachten.
Auch im Bodensee macht die Muschel Probleme. Im mittelfränkischen Rothsee wurde sie ebenfalls entdeckt. Wie die Muschel in die bayerischen Seen gekommen ist, kann Stiebor nur vermuten: Etwa durch Boote, die in den unterschiedlichen Gewässern unterwegs sind.
Nicht alle invasiven Arten werden zum Problem
Fremde Pflanzen- und Tierarten kommen seit Jahrtausenden nach Bayern. Je mobiler die Menschen sind, desto mehr Arten bringen sie, gewollt oder zufällig, von ihren Reisen mit. Seit einigen Jahren beobachtet Stibor zum Beispiel die Ausbreitung einer Süßwasserqualle in Bayern. „Die Qualle hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Seen ausgebreitet, aber das Ausmaß ist mit der Quagga-Muschel nicht vergleichbar.“
Über die Folgen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt können Forscher nur spekulieren: Die Muschel filtert sehr große Mengen an Plankton aus dem Wasser. Das dient vielen Seebewohnern als Nährstoff und könnte knapp werden.
Auf der anderen Seite dient die Muschel selbst einigen Fischen als Futter: etwa dem Rotauge, das aber im Chiemsee relativ selten ist. Allerdings wurden auch Muscheln in den Mägen der Chiemsee-Renken gefunden. Sie sind ein beliebter Speisefisch – die Fischer würden sich über größere Bestände freuen.
Verstopfte Rohre im Bodensee
Enorme Kosten verursacht die Quagga-Muschel jetzt schon am Bodensee. Sie wurde unter anderem auch in den Rohren gefunden, mit denen Trinkwasser aus dem See gepumpt wird. Laut der Trinkwasserversorgung Bodensee müssen die Leitungen inzwischen viermal so oft gereinigt werden. Das erzeuge Kosten im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Auch müssen die Bodenseeschiffe deutlich öfter gereinigt werden, weil sich die Muscheln daran festsetzen. Badende beklagen, dass sie sich an den scharfen Schalen im Uferbereich die Füße zerschneiden.
Mögliche Szenarien am Chiemsee
Wie es am Chiemsee weiter gehen wird, ist eine der Forschungsfragen von Herwig Stibor: Möglich sei, dass mit Szenarien wie am Bodensee auch im Chiemsee zu rechnen ist. Möglich ist aber auch, dass es wie im Eriesee, einem der großen nordamerikanischen Seen abläuft: Hier sei die Muschel nach wenigen Jahren wieder verschwunden.