Der Wartebereich ist voll, fast alle Stühle sind besetzt. Der Grund, warum die Menschen hier sitzen, ist aber noch immer sehr mit Vorurteilen verbunden: Sie wollen sich in der Beratungsstelle der Stadt München auf Geschlechtskrankheiten (STI) testen lassen.
Als wir fragen, ob jemand mit uns sprechen will, reagieren alle sehr zurückhaltend. Nur eine Frau ist bereit, mit uns zu reden und das nur anonym. Wir nennen sie Julia. Sie ist um die 30 und arbeitet im medizinischen Bereich. Im Beratungszimmer wartet auf sie der Arzt Hans-Joachim Hennig. Als Erstes fragt Hennig das Geburtsdatum und das Geburtsland ab – Julia muss wegen der Anonymität zu keinem Zeitpunkt ehrlich antworten. Sie entscheidet sich auch dafür, ein falsches Geburtsdatum anzugeben.
Ungeschützter Sex nur nach STI-Tests
Julia ist hier, weil sie in einer neuen Beziehung ist. „Für mich ist es klar: Vor jeder neuen Partnerschaft lässt man sich einmal testen. Ich erwarte das von meinem Partner und erwarte das auch von mir.“ Sie habe kurz überlegt, sich online ein Testkit zu bestellen. „Aber ehrlich gesagt finde ich es so einfach, hierher zu gehen, wenn man in München wohnt. Hier bin ich sicher, dass am Ende die Testergebnisse richtig sind.“
Auch wenn Julia mit keiner Ansteckung rechnet, entscheidet sie sich zusammen mit dem Arzt für HIV und Syphilis per Blutuntersuchung, zusätzlich Gonorrhö und Chlamydien mit einem vaginalen Abstrich, den die Frau selbst durchführt. Nach etwa einer Viertelstunde ist Julia fertig.
Beratungsstelle kurzzeitig wegen Überfüllung geschlossen
Zu diesem Zeitpunkt haben schon 37 Menschen eine Nummer gezogen und warten darauf, dranzukommen. Der Warteschlangenautomat wurde deshalb bereits gestoppt. Es sind zu viele da, um alle beraten zu können. Hier zeigt sich: Die Nachfrage nach anonymen und kostenfreien Beratungen steigt. Dieses Jahr sind bereits bis Ende November schon 18.000 Personen beraten worden.
Anonymität besonders wichtig
„Wir stellen fest, dass es für viele einfach eine Chance ist, sich hier anonym testen zu lassen“, erklärt Beatrix Zurek, die Leiterin des Gesundheitsreferats der Stadt München. Zu dieser Abteilung gehört auch die STI-Beratung. Zurek betont, dass Testungen auf Geschlechtskrankheiten wichtig seien. Das müsse zur regelmäßigen Gewohnheit der Menschen werden, fordert Zurek.
Die Zahlen bestätigen das: Es gibt viele Fälle von Geschlechtskrankheiten in Bayern. Insgesamt leben in Bayern Schätzungen zufolge etwa 11.400 Menschen mit einer HIV-Diagnose.

