Zu schnelles Fahren ist in Deutschland nach wie vor die häufigste Ursache für tödliche Verkehrsunfälle – vor allem auf Autobahnen. 43 Prozent der Getöteten auf Autobahnen kamen im vergangenen Jahr bei Unfällen mit überhöhter oder nicht angepasster Geschwindigkeit um Leben. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (externer Link). Aber würde ein Tempolimit auf deutschen Straßen daran wirklich was ändern? Damit hat sich eine Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt.
Ein Drittel weniger Verkehrstote bei Tempo 120
Die Studienautorin Maike Metz-Peeters vom Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Angewandte Ökonometrie hat dafür einen aufwendigen Datensatz zusammengetragen. Er umfasst rund die Hälfte des gesamten Autobahnnetzes und deckt die Jahre 2017 bis 2019 ab. Berücksichtigt wurden auch Informationen etwa zu Straßenzustand, Verkehrsaufkommen, Wetter und regionalen Faktoren.
Das Ergebnis: Ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Deutschlands Straßen könnte die Zahl der Verkehrstoten um rund 35 Prozent senken (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt). In einzelne Fälle umgerechnet wären das im Jahr 58 Menschen weniger, die auf Autobahnen sterben, außerdem rund 904 Schwerverletzte, die es nicht geben würde und knapp 1.375 Leichtverletzte weniger – schlicht, weil weniger Unfälle aller Schweregrade passieren würden, so die Volkswirtschaftlerin Metz-Peeters.
Geschwindigkeitsbegrenzung besonders auf Strecken mit wenig Verkehr sinnvoll
Damit könnten laut Studie auch Unfallkosten in Höhe von etwa 216 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. Metz-Peeters zufolge bringt die zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzung dabei am meisten an Ein- und Ausfahrten sowie auf Strecken mit wenig Verkehr. „Das klingt vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen kontraintuitiv. Aber wo sehr viel Verkehr herrscht, können die Leute sowieso nicht schnell fahren“, erklärt sie im BR-Interview.
Metz-Peeters betont allerdings, dass es sich hierbei um eine Modellrechnung handelt. „Es ist schwer vorherzusagen, ob sich die Ergebnisse auf ein generelles Tempolimit im gesamten Autobahnnetz übertragen lassen.“ Manche Unwägbarkeiten könnten den Effekt verstärken oder auch abschwächen, so die Wissenschaftlerin. An den grundsätzlichen Erkenntnissen, rund ein Drittel weniger Verkehrstote, rund ein Viertel weniger Schwerverletzte, dürfte sich dadurch aber nichts ändern.
Kein eindeutiger Zusammenhang im internationalen Vergleich
Umfragen zufolge wünscht sich aktuell eine Mehrheit der Deutschen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Auch gut die Hälfte der ADAC-Mitglieder sprach sich zuletzt dafür aus. Der Automobilclub weist jedoch auch daraufhin (externer Link), dass beim Vergleich des Sicherheitsniveaus von Ländern mit Geschwindigkeitsbegrenzung kein direkter Zusammenhang feststellbar sei. Frankreich, Tschechien oder etwa die USA, in denen Tempolimits gelten, stünden nicht besser da als Deutschland. In der Schweiz, den Niederlanden und Österreich dagegen sei das Sicherheitsniveau höher.
Tempolimit hätte Auswirkungen auf Klimaschutz
Was hingegen eindeutig ist: Je niedriger die Geschwindigkeit, desto geringer der Kraftstoffverbrauch und damit auch der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid. Beim Thema Klimaschutz hat das Umweltbundesamt vor einigen Jahren eine Hochrechnung vorgelegt: Ein Gutachten aus dem Jahr 2023 (externer Link) geht von 4,5 Mio. Tonnen weniger Kohlenstoffdioxid pro Jahr durch ein generelles Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen aus. Das wären 2,9 Prozent der Emissionen im Straßenverkehr, bezogen auf die Gesamtemissionen im Straßenverkehr von 157,7 Mio. Tonnen Kohlestoffdioxid im Jahr 2018.
Appell: Mehr Fakten bei Debatte über Tempolimit anerkennen
Ob es in naher Zukunft zu einem vollständigen Tempolimit in Deutschland kommt, lässt sich momentan nicht abschätzen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht dazu nichts – wohl auch, weil das Thema von der Politik und Teilen der Gesellschaft in der Vergangenheit immer wieder hitzig diskutiert wurde. Auch die Bochumer Wissenschaftlerin Metz-Peeters sieht darin ein Hemmnis: „Dieses Thema ist sehr emotionalisierend auf beiden Seiten. Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion da so ein bisschen die Fakten anerkennt und bisschen versachlicht wird.“