Titandioxid ist ein hervorragender Weißmacher und wird in Zahnpasta, Sonnencremes, Wandfarbe, Kunststoffen und Papier verwendet. Auch in Arzneien – etwa um Tabletten zu ummanteln. Europaweit werden etwa eine Million Tonnen des Farbstoffs produziert.
Die dunkle Seite des Weißmachers
Der Stoff wird verdächtigt, gesundheits- und umweltschädlich zu sein. Zahlreiche Studien zeigen Schädigungen, andere jedoch nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [externer Link] hat das Gesundheitsrisiko bewertet. Es kommt zum Schluss, dass mehrere Studien darauf hinweisen, dass Titandioxid-Partikel in den Zellkern dringen und dort DNA-Strangbrüche, DNA-Schäden und Chromosomenschäden verursachen können.
Verdacht auf Schädigung des Erbguts durch Nano-Partikel
Ob Titandioxid-Partikel genschädigend sind, hängt von deren Größe ab. Bei Partikeln größer als 100 Nanometer (1nm = ein Millionstel Millimeter) wurde kein ausreichendes „Potenzial“ erkannt, Erbgut zu schädigen, bei kleineren aber schon. Aus solchen Genschäden kann Krebs entstehen. Das BfR geht von einer Größe von 5 bis 58 Nano-Meter Größe aus, bei der Partikel ein genschädigendes Potenzial haben. Eine Aufnahme über die Haut ins Blut, durch Sonnencremes etwa, schließt das BfR zurzeit aus.
Darmentzündungen werden verstärkt
2017 verabreichte der Mediziner Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich Mäusen Titandioxid-Partikel in Nano-Größe. Gesunden Tieren passierte nichts. Aber bei denen, die bereits an Darmentzündungen litten, wurden diese verstärkt. Auch bei Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa hat er diese Beobachtungen gemacht: „Bei denen ist die Schutzschicht der Darmschleimhaut sehr dünn. Sie ist nicht geschützt vom Vordringen dieser Nano-Partikel. Wenn die in die Zellen eindringen, dann gehen die kaputt, dann werden die Lücken der Schutzwand größer, Bakterien können eindringen. Es kommt zu Entzündungsschüben.“ Und, so Rogler weiter, chronische Entzündungen können zu Krebs führen. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung würden an derartigen Darmentzündungen leiden und seien vom Risiko durch Titandioxid betroffen.
EFSA bezeichnet Titandioxid als „nicht mehr sicher“
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), bezeichnet Titandioxid aufgrund der Studienlage als „nicht mehr sicher“. Als Zusatz für Lebensmittel ist es seit 2022 EU-weit verboten. Der Weißmacher darf nur noch in Zahnpasta, Sonnencremes und Wandfarbe, Kunststoffen und Arzneien verwendet werden. Deklariert wird er oft als „CI 77891“. Die Verwendung von Zahnpasta beispielsweise kritisiert Gerhard Rogler ebenfalls: „Eine niederländische Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass Kinder die höchsten Konzentrationen von Titandioxid im Körper haben. Wahrscheinlich, weil sie die Zahnpasta schlucken und nicht so gut ausspülen. Ich bin der Meinung, dass das raus gehört aus der Zahnpasta, zumal es auch für den Säuberungseffekt ja keinen Wert hat.“
Partikel reichern sich in Organismen an – mit Folgen
2018 hat das Bayerische Landesamt für Umwelt in Augsburg festgestellt, dass rund ein Drittel der über Sonnencreme aufgetragenen Titandioxid-Nano-Partikel sich von der Haut lösen und so in Gewässer gelangen können. Die vom Amt gemessenen Konzentrationen in Badeseen waren aber sehr gering.
Der Biologe Sebastian Kühr vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) untersucht, wie sich Nano-Partikel in Organismen anreichern. Er geht davon aus, dass diese in Gewässern schnell ins Sediment absinken oder von filtrierenden Organismen aufgenommen werden. Das würde erklären, warum sich in Wasserproben nur geringe Mengen zeigen: „Wir haben in einer Studie selber festgestellt, dass diese Partikel sich zu einem hohen Maß anreichern können, und wir haben da eine Studie durchgeführt, wo wir Titandioxid über das Wasser exponiert haben und die Muscheln hatten hinterher eine neuntausendfach höhere Konzentration dieser Partikel im Organismus, also im Gewebe als im Wasser.“
Titandioxid in Muttermilch gefunden
Durch die Partikel, so Kühr, können die Tiere ihre Nahrung nicht mehr verwerten. Sie bekommen zu wenig Energie, stellen ihre Vermehrung ein. Allerdings, schränkt er ein, erst bei Konzentrationen, die tausendfach höher sind als die bisher in der Umwelt gefundenen. Dennoch warnt er, dass die Partikel sich in den Organismen konzentrieren und letztlich über die Nahrungskette zum Menschen gelangen. Eine Anfang Juli veröffentlichte Science-Studie weist darauf hin, dass dies vielleicht schon passiert ist. Sie fand bei zehn Frauen aus Paris Titandioxid-Partikel in der Muttermilch.