„Schule ohne Schule“ nennt die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, den Unterricht, den die Corona-Pandemie befördert hat.
Der notgedrungene Umstieg auf digitalen Distanzunterricht habe den Schulen in Bayern „einen immensen Schub“ gegeben, was die Ausstattung mit digitalen Endgeräten einerseits und die Einsatzsicherheit andererseits angeht, sagt Fleischmann dem BR. „Wenn jetzt zum Beispiel in einer Schule Hochwasser ist oder ein Brand war, können wir morgen den Unterricht virtuell stattfinden lassen.“
Digitalisierungsschub in Schulen – und psychische Probleme bei Schülern
Den Digitalisierungsschub sieht man auch beim Bayerischen Philologenverband positiv. Dort verweist die Leiterin des Sachgebiets für Schulpsychologie und Beratungslehrkräfte, Regina Knape, aber auch darauf, dass nicht wenige Schüler „soziale und psychische Probleme sowie Lern- und Leistungsstörungen“ aus der langen Zeit der Schulschließungen davongetragen hätten – zum Teil bis heute anhaltend. „Gerade Fünft- oder Sechstklässler, die damals in der ersten bis dritten Grundschulklasse kaum im Präsenzunterricht waren, haben heute noch Schwierigkeiten damit, dass in der Schule eben nicht die Mama gerufen werden kann, wenn etwas nicht klappt.“
Vielen falle es noch schwer, sich in Klasse und Unterricht einzugewöhnen, wodurch wiederum die Lehrkräfte zusätzlich enorm gefordert seien. „Und auch das macht den Lehrberuf heute für viele unattraktiv“, sagt Knape dem BR. Ihre Forderung: alle Schulen flächendeckend mit multiprofessionellen Teams aus Schulpsychologen und Schulsozialpädagogen auszustatten, die lern- und verhaltensauffällige Schüler unterstützen und Lehrer entlasten.
Bewusstsein für Bedeutung von Kitas heute „viel stärker“
Nach den Corona-Jahren stehen auch die Kitas anders da, sagt Alexa Glawogger-Feucht, Geschäftsführerin des Verbands katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern, dem rund ein Drittel der bayernweit mehr als 10.000 Kitas angehören. „Besser aufgestellt sind Kitas darin, Hygienekonzepte und Kinderschutzkonzepte aufzustellen und umzusetzen.“ Außerdem sei „die gesamtgesellschaftliche Bedeutung“ von Kindergärten und Kitas „viel stärker in den Vordergrund getreten“.
Auf Personalseite habe man gemerkt, wie wichtig Team-Entwicklung ist, sagt Alexa Glawogger-Feucht dem BR. Kita-Leitungen seien aber meist selbst für eine Kita-Gruppe zuständig, deshalb fehle die Zeit für Personalentwicklung. „Und nach aktueller Gesetzeslage kann eine Kita-Leitung in der Regel nicht dafür freigestellt werden“, beklagt Glawogger-Feucht, „die zusätzlichen Stunden müssten finanziert werden, dafür sind jedoch keine Finanzmittel vorgesehen.“
Krankenhäuser: Sparkurs statt Reserven für Pandemieprävention
Besonders gefordert waren Krankenhäuser, die mit sterbenden Corona-Infizierten, Besuchsverboten für Angehörige und überlastetem Pflegepersonal zu kämpfen hatten. Corona habe da gelehrt, „aktiv und präventiv Mitarbeitende zu schützen und zu stärken, auch hinsichtlich Gewalt gegen Ärzte und Pflegekräfte“, teilt die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) mit.
„Politisch ist die Pandemie und die Frage ausreichender Versorgungskapazitäten dagegen schnell verflogen“, bemängelt der Verband mit Verweis auf die jüngste Krankenhausreform. Mit ihr drohten ein Kostenabbau und fehlende finanzielle Reserven. „Die Krankenhausreform geht leider bisher davon aus, dass es keine Krankheitswellen und gesundheitliche Krisenlagen mehr geben wird. Vielmehr werden die Kliniken gesetzlich in ein sehr starres Versorgungskorsett gedrängt und können nicht mehr flexibel auf Krisenlagen reagieren“, sagt BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen dem BR.
Gesundheitsministerium verweist auf Pandemiezentrallager
Auf die Frage nach Konsequenzen aus der Pandemie verweist das bayerische Gesundheitsministerium unter anderem auf ein Pandemiezentrallager, das noch während Corona eingerichtet wurde, „um bei künftigen Krisensituationen bei möglichen Lieferengpässen eine Versorgung des medizinischen und pflegerischen Personals mit Schutzausrüstung wie beispielsweise Masken sicherzustellen“, sagt Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) dem BR. Das Lager besteht heute als Bayerisches Logistikzentrum Gesundheitssicherheit weiter.
Zugleich verweist das Ministerium darauf, dass „die Verantwortung einer ausreichenden Bevorratung von Schutzausrüstung“ für alle im Gesundheitswesen Tätigen „vorrangig“ beim Arbeitgeber liege. Erst, wenn der Eigenvorrat in einer künftigen Pandemie nicht ausreicht, könne auf den Fundus im Logistikzentrum zurückgegriffen werden.
Wirtschaft „besser auf mögliche neue Krisen vorbereitet“
Und Bayerns Wirtschaft? Die zieht ein positives Fazit. „Die Pandemie hat im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung sicher dazu geführt, dass Unternehmen für ihre Mitarbeiter heute noch mehr und auch vielfältigere Angebote bereithalten“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, dem BR.
Siemens, einer der größten Arbeitgeber in Bayern, hat etwa bei den betriebsärztlichen Dienststellen und Sozialberatungen nachjustiert. „Insgesamt haben wir unser Health Management Angebot der Lebens- und Arbeitsrealität der Menschen angepasst und sehr viel aus unserem Portfolio digitalisiert“, teilt das Unternehmen mit Sitz in Erlangen mit. Wesentliche Maßnahmen, die während der Corona-Pandemie ergriffen wurden, hätten bis heute Bestand. Mitarbeitende könnten nun etwa weltweit zwei bis drei Tage in der Woche mobil arbeiten, „wo immer es machbar ist“.