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Auch wenn sie eine sehr große Gruppe sein können: Bei der Sitzverteilung in deutschen Parlamenten spielen Nichtwähler keine Rolle. Je mehr Menschen nicht wählen, desto häufiger kommt aber die Frage: Ist das eigentlich noch demokratisch?
BR24-User „SpiegelbildDerGesellschaft“ kommentierte, nachdem die Stichwahl zum Würzburger Oberbürgermeister stattfand: „65 Prozent der 47,4 Prozent Wähler haben den Grünen OB gewählt. Macht 30,8 Prozent aller Wahlberechtigten. So einfach wird man OB, wenn die Mehrheit nicht wählen will. Schade, dass solche Wahlergebnisse gültig sind.“
Unter anderem „Zwiesel“ hielt dagegen: „In der Demokratie entscheiden eben die, die zur Wahl gehen. In Diktaturen ist es anders, da entscheidet im Prinzip einer, was am Ende rauskommt.“
Keine Wahlpflicht in Deutschland
„Wir haben keine Wahlpflicht“, sagt Philipp Rhein. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Politisches System der BRD an der Universität Kassel. Im Grundgesetz steht nichts darüber, wie viele Wahlberechtigte sich mindestens beteiligen müssen. „So muss man sagen: Ja, die Wahl ist demokratisch, auch wenn die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent liegt – sofern eine freie, gleiche und geheime Wahl stattgefunden hat.“ Der Wahl fernzubleiben, ist nicht nur erlaubt, sondern grundsätzlich auch eine freie Entscheidung. Soweit die Theorie.
Manche bleiben eher fern als andere
Rhein erkennt neben diesen formalen Bestimmungen aber auch ein Problem. Denn die Frage sei: Wer beteiligt sich und wer nicht? „In der Regel gibt es bei diesen Beteiligungsraten keine Gleichverteilung sozialer Gruppen oder Schichten.“ Das heißt: Manche bleiben eher fern als andere. „Und dann entsteht sehr wohl ein demokratietheoretisches Problem.“
Kürzlich stellte auch „Miguel_de_Madrugador“ die Frage: „Warum interessieren sich nur 47 Prozent der Würzburger, wer ihr Oberbürgermeister wird.“ Der Fall lässt sich auch auf andere Wahlen übertragen.
Rhein sagt, zunächst sollte man „echte“ und „unechte“ Nichtwähler unterscheiden, also wer bewusst teilnimmt und wer unverschuldet nicht teilnehmen konnte.
Zu den Motiven, lieber zu Hause zu bleiben, gibt es mehrere Untersuchungen. Doch sie stehen immer vor dem Problem, dass Nichtwähler seltener an Umfragen teilnehmen oder Menschen nicht zugeben, Nichtwähler zu sein.
Was Nichtwähler bewegt
Dennoch, eine repräsentative Umfrage zu Nichtwahlmotiven bei der Bundestagswahl 2021 der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS, externer Link) ergab: Nur eine Minderheit gibt an, grundsätzlich nicht wählen zu gehen – bei der nächsten Wahl kann es also wieder anders aussehen. Und: Unter Nichtwählern zeige sich eine weitverbreitete Politikverdrossenheit.
Gedanken, denen befragte Nichtwähler damals unterschiedlich häufig zustimmten:
- Parteien und Politiker machten, was sie wollten, weshalb es keinen Sinn mache, zu wählen.
- Es habe keine Politiker gegeben, dem man seine Stimme geben wollte.
- Keine Partei habe sich für Dinge eingesetzt, die einem wichtig sind.
- Fehlendes Interesse an Politik.
- Bei der Wahl sei es nicht um eine wirklich wichtige Entscheidung gegangen.
- Man wollte einen Denkzettel verpassen.
Auch User teilten bei BR24 schon früher derartige Eindrücke: „In meinem Bekanntenkreis“, kommentierte „LA_Thomas“, würde eher gesagt, „dass wählen doch eh nix bringt, weil alle nur was versprechen und eh nicht halten können (…).“
Das seltenste Motiv, so die KAS, bilde die Zufriedenheit mit der Politik. „Passt schon alles, da muss ich nicht wählen“, sagen also wenige.
Auch soziale Hintergründe entscheidend
Neben solchen Gründen bleiben manche auch aus sozialen Motiven der Wahlurne fern. So sagt Rhein, manche fühlten sich „aufgrund ihrer sozialen Stellung vom politischen Geschehen ein Stück weit ausgeschlossen“. Der Politikwissenschaftler Armin Schäfer hat dazu viel publiziert. „Die Wahrscheinlichkeit, nicht wählen zu gehen, unterscheidet sich nach Schichtzugehörigkeit, Einkommen und Bildung“, schrieb er vor einigen Jahren (externer Link). So sehe man beispielsweise: „Je ärmer ein Stadtteil, desto weniger Wahlberechtigte wählen.“
Rhein findet, es sei schon legitim, darauf aufmerksam zu machen, dass die Sitzverteilung unter Berücksichtigung der Nichtwähler eine andere wäre. „Was ich für problematisch halten würde, ist, den Schluss zu ziehen, dass dieses Ergebnis, sofern es durch eine freie und gleiche Wahl zustande gekommen ist, nicht legitim sei.“