„Im Zeugnis hatte ich in Mathe immer Vierer, jetzt habe ich eine Drei“, sagt die neunjährige Elisabeth stolz. Die Nachhilfe bringt ihr Erfolg. Jede Woche hat die Grundschülerin eine Stunde Mathematik extra und zwar im Lern-Institut Studienkreis in Landsberg am Lech. Sie kommt gerne hierher, gemeinsam mit einer Freundin.
Immer mehr Kinder bekommen im Grundschulalter Nachhilfe
Bis zu zehn Prozent aller Schüler der kommerziellen Anbieter seien noch im Grundschulalter, sagt der Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen. Nach der Beobachtung kommerzieller Anbieter wie z.B. dem Nachhilfe-Institut Studienkreis steigt der Bedarf in der Grundschule an.
Institutsleiterin Carmen Säuberli vom Studienkreis Landsberg bestätigt diesen Trend. „Wir haben immer mehr Schüler aus der 3. und 4. Jahrgangsstufe, deswegen brauche ich mittlerweile auch mehr Grundschul-Lehrkräfte zum Unterrichten.“ Vor allem bei Mathematik sei der Bedarf groß.
Geldbeutel der Eltern entscheidet über Bildungschancen
Für vier Stunden Mathe-Unterricht in der Dreier-Gruppe zahlen Elisabeths Eltern 100 Euro im Monat an das Lern-Institut. Viel Geld für die Familie mit drei Kindern, aber die Mutter verzichtet dafür gerne auf andere Dinge. „Es geht um die Zukunft unserer Tochter“, sagt Mutter Ricarda.
Carmen Säuberli kann die Eltern verstehen. „Wir leben in einer Leistungsgesellschaft“, so die Institutsleiterin. Um Berufe mit einem guten finanziellen Grundstock zu bekommen, brauche man heutzutage mindestens einen Realschul-Abschluss, sagt Säuberli.
Mit dem steigenden Bedarf an Nachhilfe bereits im Grundschulalter verstärkt sich nach Ansicht des Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV) die Bildungsungerechtigkeit. „Je dicker der Geldbeutel der Eltern, umso besser die Chancen auf Bildung“, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Zu wenig Lehrer, zu große Klassen, zu geringe Sprachkenntnisse
Die Gründe für den steigenden Bedarf an Nachhilfe in der Grundschule seien vielfältig, meint der Bayerische Elternverband. Vorsitzender Martin Löwe hat selbst vier Kinder durch die Schule begleitet. Einerseits läge es an der hohen Leistungserwartung der Eltern, die zum Teil schon vorsorglich Hilfe beanspruchen würden. Andererseits sieht er den Grund auch in den heterogenen Klassen, zum Teil bedingt durch Schüler mit Fluchterfahrung und geringen Sprachkenntnissen. „Damit werden die Anforderungen an die Lehrkräfte höher“, so Martin Löwe, „aber nicht alle können diese Erwartungen erfüllen.“
Gratis Nachhilfe dank staatlichem Pakt „Bildung und Teilhabe“
Um allen Kindern gleiche Chancen zu ermöglichen, gibt es den staatlichen „Bildungs- und Teilhabe-Pakt“ (BuT). Neben der Teilnahme an Klassenfahrten, Musik- und Sportunterricht kann auch Nachhilfe kostenlos genutzt werden. Diese Eltern sind dazu berechtigt: Bürgergeld- oder Kinderzuschlag-Empfänger, vorausgesetzt die Kinder sind jünger als 26 Jahre, besuchen Kita oder Schule und erhalten keine Ausbildungsvergütung. Auch wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält, hat Chancen darauf.
Laut bayerischem Sozialministerium sind die Ausgaben für BuT nicht gedeckelt. Im Jahr 2024 wurden nach Ministeriumsangaben rund 7,1 Mio. Euro für Leistungen zur Lernförderung im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe in Bayern abgerufen.
BLLV fordert mehr Lehrkräfte
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann sieht im Trend zu steigender privater Nachhilfe eine Bildungsungerechtigkeit. Sie fordert mehr Personal. „Wir brauchen mehr und besser ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, um Kinder individuell fördern zu können“, sagt Fleischmann. Nur mit mehr Lehrkräften könne man mehr in Kleingruppen unterrichten, differenziert nach Leistungsstand. Eine Hilfe könnten auch Online-Angebote sein, so Fleischmann. Vorausgesetzt, Eltern oder Lehrer begleiten die Kinder dabei. Für Martin Löwe vom Bayerischen Elternverband sollte vor allem eines im Fokus stehen: das Wohl der Kinder. Damit sie den Spaß am Lernen nicht verlieren.