Florian Streng ist Öko-Winzer – rund um Sommerach baut er auf neun Hektar Wein an. Obwohl er ökologisch wirtschaftet, muss Streng oft Pflanzenschutzmittel einsetzen. Allerdings nur Mittel, die nicht von den Pflanzen aufgenommen werden, also äußerlich wirken.
In ein paar Wochen hätte er normalerweise Backpulver in sein Spritzfass gemischt. Das lässt nicht nur Kuchenteig aufgehen, es schützt auch Reben vor dem „Echten Mehltau„, einem schädlichen Pilz.
Backpulver ist für Umwelt unbedenklich und sehr günstig
Natriumhydrogencarbonat, kurz Natron oder eben Backpulver, galt bislang in der EU als „Grundstoff“, da es für die Umwelt unbedenklich ist. Natron wurde nicht in erster Linie für den Pflanzenschutz verwendet, durfte aber im Weinbau für den Pflanzenschutz eingesetzt werden.
Die EU hat jetzt ein Pflanzenschutzmittel mit Natriumhydrogencarbonat als Wirkstoff zugelassen – und genau da liegt das Problem: Nach EU-Recht darf ein Grundstoff nicht gleichzeitig ein Wirkstoff sein. Öko-Winzer Streng ärgert sich, weil Natron als Pflanzenschutzmittel deutlich teurer ist: „Wir liegen da jetzt bei fast fünf Euro pro Kilo. Davor waren es zwischen 70 Cent und einem Euro, je nachdem, in welcher Menge man es gekauft hat. Und das ist natürlich ein hoher Kostendruck.“
Etwa 100 bis 150 Euro mehr pro Einsatz im Weinberg
Je nachdem, wie das Wetter und der Pilzdruck sich entwickeln, rechnet Streng mit mindestens 1.000 Euro an zusätzlichen Kosten pro Jahr. Und er hat keine Wahl, gegen den „Echten Mehltau“-Pilz muss der Öko-Winzer seine Reben schützen, sonst riskiert er einen Totalausfall.
Heinrich Hofmann von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau erklärt, dass Natrium- oder auch Kaliumhydrogencarbonat Salze sind und auf den Pflanzen die Pilzhyphen effektiv austrocknen. Gerade für den ökologischen Weinbau seien Hydrogencarbonate eine wichtige Mittelgruppe, weil ansonsten nur noch der Netzschwefel für die Bekämpfung von „Echtem Mehltau“ zugelassen ist.
Langjähriger Streit zwischen EU und Pflanzenschutzfirma
Seit zehn Jahren streitet der baden-württembergische Pflanzenschutzmittelhersteller „Biofa“ mit der EU, weil bei der europaweiten Zulassung des günstigen Natron-Backpulvers als Grundstoff mutmaßlich Studien der Firma verwendet wurden, ohne, dass dafür gezahlt wurde. Die Firma hat jetzt die Zulassung des Pflanzenschutzmittels „Natrisan“ beantragt, das fast nur aus Natron besteht, um ihre Rechte an den Studien zu schützen. Das erklärt Geschäftsführer Frank Volk, er fordert von der EU faire Spielregeln, so wie sie in den Rechtsgrundlagen, in den Verordnungen, stünden – für alle.
Winzer werden Pflanzenschutzmittel verwenden müssen
Leidtragende sind aktuell nur Winzer in Deutschland und Österreich. Sie müssen das Pflanzenschutzmittel verwenden, weil es hier zugelassen ist. In der übrigen EU darf das günstige Natron-Backpulver weiter als Grundstoff verwendet werden – aus Sicht der deutschen Winzer auch noch ein Wettbewerbsnachteil.