Eine Pflegekraft der ambulanten Pflege kommt in ein Haus zu einem Patienten. Der kann sich nach einem Schlaganfall kaum mehr bewegen. Die Pflegekraft hat die Versorgung übernommen: Waschen, Essen, Umbetten. Wenn aber der Patient eine andere Matratze benötigen sollte oder ein anderes Hilfsmittel, kann die Pflegekraft das nicht allein entscheiden. Sie muss auf einen Arzt, eine Ärztin warten, die das Benötigte verschreiben. Was oft länger dauert, zum Leidwesen der Pflegekraft – und des Patienten.
Deutscher Pflegerat lobt Gesetz als „Erfolg“
Szenarien wie diese sollen künftig der Vergangenheit angehören. Das entschied heute der Bundestag mit Stimmen der Koalitionsfraktionen. Grüne und Linke enthielten sich, die AfD votierte dagegen.
Christine Vogler vom Deutschen Pflegerat wertet das neue „Befugniserweiterungsgesetz“ als Erfolg: Die Dinge, die oben beschrieben wurden, würden Pflegekräfte schon heute machen, aber immer noch brauche es bisher zum Gegenchecken ärztliche Kompetenz. Auch im Bundestag loben sich Abgeordnete der Koalitionsfraktionen für das Gesetz, Katrin Staffler (CSU) spricht von einem „guten Gesetz für professionelle Pflegekräfte und für Patienten“, Claudia Moll (SPD) freut sich darüber, dass Pflegekräfte künftig das tun dürften, was sie ohnehin schon könnten, und verspricht sich eine bessere Versorgung: vor allem in den Bereichen Wundversorgung, Diabetes und Demenzpflege.
Kritik kommt vom DRK: Nicht einmal zwei Prozent der Pflegekräfte könnten davon profitieren, weil die allermeisten Pflegekräfte nicht die entsprechende Ausbildung hätten, die laut Gesetz nötig ist. Und Ärztevertreter warnen davor, ärztliche Kernkompetenzen anzugreifen.
Entbürokratisierung oder Etikettenschwindel?
Das Gesetz hatte bereits der Vorgänger der aktuellen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), Karl Lauterbach (SPD) in Angriff genommen, er wollte es „Pflegekompetenzgesetz“ nennen. Nach dem Ampel-Aus kam das Gesetz nicht zustande, Warken setzt es jetzt – leicht verändert – um.
Für die Union war besonders der zweite Teil des Gesetzes, die Entbürokratisierung, ein wichtiges Anliegen. Die Abgeordnete Emmi Zeulner (CSU) verwies darauf, dass bei guter Pflege in Heimen weniger Kontrolle erfolge, ein Vertrauensvorschuss für Pflegende und Pflegepersonal.
Deutlich weniger begeistert zeigte sich die Opposition. Für Martin Sichert (AfD) nimmt die Bürokratie nicht ab, sondern zu, Janosch Dahmen (Grüne) sprach von „Mogelpackung“ und „Etikettenschwindel“, es finde sich nichts, was im Alltag die Zettelwirtschaft nur einen Deut besser mache.
Die Zukunft der Pflege schaut in ein Finanzierungsloch
Was die Opposition besonders auf die Palme brachte: Dass Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in das Gesetz auch noch Sparmaßnahmen für die Gesetzliche Krankenversicherung gepackt hat. Um nämlich eine Finanzierungslücke von zwei Milliarden Euro für das kommende Jahr zu vermeiden – und damit verbunden Beitragssteigerungen für gesetzlich Versicherte – wurden drei Maßnahmen beschlossen: 1,8 Milliarden sollen die Krankenhäuser einsparen, 100 Millionen der Innovationsfonds und 100 Millionen die Kassen bei ihren Verwaltungen.
Ates Güpinar (Die Linke) empörte sich darüber, dass erst den Kliniken vier Milliarden Euro zugesagt wurden, um ihnen dann wieder 1,8 Milliarden zu entziehen. Auch die Grünen sprachen von Lügen: Die Zusatzbeiträge, die gesetzliche Kassen in Eigenregie erhöhen oder senken können, würden auf über drei Prozent steigen, prognostizierte der Gesundheitsexperte Janosch Dahmen.
Im Ministerium selbst spricht man von kurzfristigen Maßnahmen. Langfristig, das weiß auch Nina Warken, wird es aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland eine große Reform der Finanzierung der Pflegeversicherung brauchen. Wie die aussehen soll, berät gerade eine Kommission aus Bund und Ländern.

