Es gebe „keine Anhaltspunkte für System- oder Organisationsversagen“, so der bayerische Kunstminister Markus Blume über das mit Spannung erwartete Ergebnis einer Untersuchungskommission, die den bisherigen Umgang der bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit NS-Raubkunstfällen unter die Lupe nahm. Vorwürfe seien „ausgeräumt, das Verbesserungspotential erkannt, Maßnahmen eingeleitet“ worden. Es hatte massive Kritik am Verhalten der staatlichen Einrichtung gegeben. Angesichts vieler Negativ-Schlagzeilen sprach Blume sogar von „wilden Monaten“, wenngleich es keinen „Skandal“ gegeben habe. So seien keineswegs eingelagerte Kunstwerke absichtlich ihren früheren Eigentümern vorenthalten worden. Allerdings habe bei den Staatsgemäldesammlungen „vieles im Argen“ gelegen.
„Zentrale Werkkomplexe nicht systematisch bearbeitet“
Am guten Willen der Beteiligten habe es dabei nicht gefehlt, so die Leiterin der Untersuchungskommission, die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hopp vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste im Kulturausschuss des Bayerischen Landtags. Es habe vielmehr eine „solide Recherchepraxis mit methodischer Tiefe“ gegeben. Allerdings habe die nötige Struktur gefehlt: „Das organisatorisch unzureichend strukturierte Vorgehen führte beispielsweise dazu, dass zentrale Werkkomplexe bislang nicht systematisch bearbeitet werden konnten, insbesondere rund 3.000 Objekte, die nach 1945 erworben oder inventarisiert wurden.“
Der pauschale Vorwurf einer „bewusst irreführenden Praxis der Staatsgemäldesammlungen im Umgang mit identifizierter Raubkunst“ habe sich nicht bestätigt, so Hopp: „Es wurden keine Hinweise darauf gefunden, dass Informationen oder Erkenntnisse der Provenienzforschung vorsätzlich zurückgehalten oder verschleiert wurden.“
Kunstminister Blume: „Historischer Verantwortung gerecht werden“
Aktuell geht es um 82 Werke in den Staatsgemäldesammlungen, die auf einer internen „roten Liste“ und damit unter Raubkunstverdacht stehen. Weitere 446 Objekte sind orange gekennzeichnet und haben eine zweifelhafte Herkunft. Damit nicht genug: Die erwähnten rund 3.000 Kunstwerke, die nach 1945 erworben wurden, seien bisher nur „sehr oberflächlich“ auf ihre Provenienz geprüft worden, heißt es.
Markus Blume spricht von einem „Riesenberg Arbeit“, den es nun abzutragen gelte: „Wir wollen unserer historischen Verantwortung umfassend gerecht werden und einen Neuanfang an den Staatsgemäldesammlungen anschieben.“ Die personelle Ausstattung für die Provenienzforschung an den Staatsgemäldesammlungen soll aufgestockt werden. Es werden neben den bestehenden vier Stellen weitere fünf geschaffen und Sondermittel in Höhe von einer Million Euro bereitgestellt. Im kommenden Doppelhaushalt 2026/27 wird eine weitere Aufstockung in Aussicht gestellt.
Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Sanne Kurz, zeigte sich „irritiert über den allzu gelösten Ton des Ministers“. Sie schrieb in einer Pressemitteilung: „Sein Bericht wirkt, als würden wir uns 2025 den Staub von 1950 abklopfen und sagen: ‚So, die NS-Diktatur ist vorbei, jetzt packen wir’s an‘! Achtzig Jahre nach Kriegsende müssen doch Rückgaben und Ergebnisse im Zentrum stehen! Eine Entschuldigung bei den Opferfamilien für die jahrzehntelange Verschleppung wäre das Mindeste gewesen.“
Staatsgemäldesammlungen vor „gewaltigem Umbau“
BR-Kunstexperte Stefan Mekiska ist überzeugt, dass die Staatsgemäldesammlungen vor einem „gewaltigen Umbau“ stehen. Die bisherige Provenienzforschung habe „viele unnötige Schleifen“ gedreht, weil Abläufe und Zuständigkeiten nicht ausreichend geklärt gewesen seien. Im internationalen Kunstbetrieb seien Werke auf der „roten Liste“ eigentlich durchweg klare Fälle von NS-Raubkunst: „In München hieß es jedoch, da müssen wir unbedingt noch weiterforschen.“ Wichtig sei es, dass Experten, die die Herkunft von Sammlungsobjekten aufklären sollen, künftig unabhängig von der jeweiligen Museumsleitung seien.
Positiv sei, dass die Staatsgemäldesammlungen mehr Transparenz garantierten: Neben jedem ausgestellten Kunstwerk soll es einen QR-Code geben, sodass interessierte Besucher dessen Provenienz nachvollziehen können.

