Seit Samstag hatten Gewerkschaften und Arbeitgeber in Potsdam nochmal intensiv verhandelt – zäh sei es gewesen, berichten Insider. Doch es scheint sich gelohnt zu haben: Beide Seiten haben sich auf einen Abschluss für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst verständigt. Die Einigung orientiert sich an dem, was zuvor die Schlichtung empfohlen hatte. Wenn jetzt noch die Mitglieder der Gewerkschaften Ja sagen, dann ist ein großer Streik im öffentlichen Dienst abgewendet.
„Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir bei schwieriger Haushaltslage verantworten können“, sagte die geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD), als sie am Sonntag gemeinsam mit Gewerkschaften und Kommunen die Einigung verkündete. Verdi-Chef Frank Werneke sprach von einem schwierigen Ergebnis in schwierigen Zeiten.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Tarifeinigung im Überblick:
Welche Berufsgruppen profitieren vom Ergebnis?
Der Tarifabschluss betrifft mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes. Das sind Angestellte in den Verwaltungen, aber auch in Kitas und Schulen, im Nahverkehr, bei den Abfallbetrieben, in Klärwerken, Bädern, Pflegeeinrichtungen oder an Flughäfen.
Üblicherweise wird der Abschluss später auf Beamtinnen und Beamte übertragen, das soll dieses Mal aber erst die neue Bundesregierung entscheiden. Nicht betroffen sind Beschäftigte der Länder, also zum Beispiel Lehrer, für die im Herbst separat verhandelt wird.
TVöD: Wie viel Geld gibt es mehr?
Die Beschäftigten sollen in zwei Stufen mehr Geld bekommen: ab 1. April 2025 drei Prozent, mindestens aber 110 Euro mehr im Monat. Stufe zwei folgt ab 1. Mai 2026 in Höhe von 2,8 Prozent. Ab 1. Juli 2025 sollen außerdem Zulagen für Schichtarbeit von 40 auf 100 Euro und für Wechselschichtarbeit von 105 auf 200 Euro angehoben werden. Zudem soll das 13. Monatsgehalt ab 2026 steigen.
Verdi-Chef Werneke rechnete vor, für eine Erzieherin oder einen Erzieher erhöhe sich das Entgelt in der Laufzeit damit um ungefähr 230 Euro, für einen Müllwerker um 200 Euro.
Ist das alles?
Nein, zusätzlich soll die Arbeitszeit deutlich flexibler werden. Die Beschäftigten sollen zum Beispiel Teile des erhöhten 13. Monatsgehalts in bis zu drei zusätzliche freie Tage eintauschen können. Das gilt allerdings nicht für kommunale Krankenhäuser, wo die Arbeitgeber nur schlecht Ersatz finden. Ab 2027 gibt es einen zusätzlichen Urlaubstag.
Zugleich sollen die Beschäftigten ab 2026 die Möglichkeit bekommen, ihre Wochenarbeitszeit freiwillig und befristet auf bis zu 42 Stunden zu erhöhen, also mehr zu arbeiten und auch mehr zu verdienen.
Wer hat sich durchgesetzt?
Das Paket ist vielfältig, sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber haben einige Punkte gesetzt – und mussten an anderer Stelle Kröten schlucken. Die Gewerkschaften hätten vor allem beim Thema flexible Arbeitszeit gern noch mehr erreicht und wollen in späteren Tarifrunden nachlegen. Die Berufe müssten attraktiver werden, denn es gebe Hunderttausende unbesetzte Stellen, erklärte Werneke. Außerdem mussten sich die Gewerkschaften mit drei sogenannten Leermonaten zufriedengeben, da die Lohnerhöhung erst ab April greift und nicht schon im Januar. Dadurch sparen die Arbeitgeber einiges an Geld.
Im Gegenzug mussten Bund und Kommunen akzeptieren, dass die Beschäftigten künftig möglicherweise weniger arbeiten und sie häufiger Lücken stopfen müssen. Das kann in Berufen mit Fachkräftemangel schwierig werden.
Zuletzt hakten die Gespräche am Vorschlag, die Arbeitszeit freiwillig auszudehnen auf 42 Wochenstunden. Die Gewerkschaften befürchteten Nachteile bei Neueinstellungen oder befristeten Verträgen, wenn Beschäftigte zu dieser Aufstockung nicht bereit sind. Nun wurde laut Werneke vereinbart: „Niemand kann gedrängt werden, mehr zu arbeiten.“ Und wer freiwillig mehr arbeite, erhalte dafür auch einen Aufschlag. Die Regelung soll nach fünf Jahren überprüft werden.
Gibt es jetzt keine Streiks mehr?
Die Gewerkschaften wollen jetzt noch ihre Mitglieder befragen. Dass die Nein sagen in Mehrheit und doch noch die Urabstimmung zum großen Streik ausgerufen wird, ist aber eher unwahrscheinlich.
Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 27 Monaten, gilt allerdings rückwirkend ab 1. Januar 2025. Damit dürfte bis Ende März 2027 erst einmal Ruhe sein an der Streikfront. Allerdings gilt das nur für diesen Tarifkonflikt.
In Berlin zum Beispiel könnten Bus- und U-Bahn-Fahrer bald wieder streiken, da sie nach einem anderen Tarifvertrag bezahlt werden. Auch in Bayern gilt für den Nahverkehr weitgehend ein eigener Tarifvertrag.