Kriege, Handelskriege über Zölle, die Stagnation der heimischen Wirtschaft spiegeln sich auch im Kunstmarkt. Die großen deutschen Auktionshäuser wie Grisebach in Berlin, Lempertz und Van Ham in Köln sowie Ketterer und Karl & Faber in München haben spürbar weniger im Angebot als noch vor einem Jahr. Statt fünf Kataloge für die Auktionen Ende Mai/Anfang Juni konnten sie jeweils nur noch zwei bis drei drucken. Ein Rückgang der Menge um ein Drittel und mehr wird auch zu einem entsprechenden Umsatzminus führen. Indes: Der Qualität an den Spitzen hat dies keinen Abbruch getan.
Robert Ketterer, Chef des erfolgreichsten Kunstauktionshauses in Deutschland, analysiert die Lage als interessant, weil sich die Objekte, die zur Auktion kommen, nach wie vor sehr gut verkaufen. „Die Kunst ist nach wie vor eine Anlageklasse höchster Güte. Man sieht es in den Auktionen in Hongkong, New York, London und Paris, die stattgefunden haben. Andererseits sieht man auch, dass die Anbieter sich ungern von hochwertigen Objekten trennen. Genau das ist unser Problem. Die Objekte zu finden, die heute auch wirklich gesucht sind.“
Die Preise liegen oft über den Schätzungen
Wenn hochkarätige Sammlungen in den Handel kommen, wie kürzlich in Paris die Sammlung des Ex-Daimler-Chefs Edzard Reuter oder 2024 bei Ketterer die der Krupp-Legende Berthold Beitz, dann gehen die Preise zuverlässig deutlich über die Schätzungen. In Köln trennt sich gerade die Bayer AG von ihrer Firmensammlung.
Bei Karl & Faber in München kommt morgen eine immerhin 23 Objekte umfassende Privatsammlung des französischen Nouveau Réalisme der 1950er- und 1960er-Jahre unter den Hammer. Darunter eine frühe Verpackungsarbeit von Christo und Jeanne-Claude, ein geheimnisvolles Päckchen aus dem Jahr 1963 aus Stoff, Seil und Schnüren in einem Objektkasten, zu einem Schätzpreis ab 70.000 Euro. Dabei weiß man gar nicht, ob etwas Wertvolles verpackt ist. Ein dreifarbiger Neujahrsgruß von Yves Klein, natürlich ist auch Blau dabei, soll mindestens 8.000 Euro kosten. Und auch der Schweizer Daniel Spoerri sowie der Italiener Mimmo Rotella sind mit Hauptwerken dabei. So eine Auktion zieht dann alle Sammler dieser speziellen Kunstrichtung an.
Erstmals Werk von Munch in deutscher Auktion
Ketterer muss dieses Mal dagegen mit hochkarätigen Einzelwerken überzeugen. Bis zu 2,5 Millionen Euro könnte ein Porträt des berühmten androgynen russischen Tänzers Alexander Sacharoff kosten. Es stammt von seinem Landsmann, dem Blauen Reiter Alexej von Jawlensky. Oder das erste Ölgemälde des Norwegers Edvard Munch in einer deutschen Kunstauktion: Das rote Haus aus dem Jahr 1926 ging direkt aus dem Atelier des „Schrei“-Malers in eine Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim und ist von den Farben, von der Erhaltung, von der beachtlichen Größe von 1,10 Meter mal 1,30 Meter schlicht ein Hauptwerk. Geschätzt ist es auf 1,2 bis 1,8 Millionen Euro, sagt Robert Ketterer. „Das ist das erste Mal, dass eine Arbeit von Munch in einer deutschen Auktion aufgerufen wird und die kommt direkt aus Norwegen.“
Wird ein Umsatzrekord in München erwartet?
Um an solche Spitzenwerke zu kommen, muss sich der Kunsthandel über Generationen bewähren. Wer ein Kunstwerk bei einem Auktionshaus oder in einer Galerie erwirbt, bleibt im Fokus der Händler, wird beraten, zu Ausstellungseröffnungen eingeladen. Der Faden sollte nie abreißen.
Gerade in der heutigen Zeit, in der das Angebot nicht mehr automatisch in die Auktionen kommt. Wie werden die Münchner Versteigerungen von Donnerstag bei Karl und Faber bis Freitag und Samstag bei Ketterer laufen? Vermutlich ohne Umsatzrekorde: Dazu ist die Zahl der Objekte zu sehr zurückgegangen. Aber möglicherweise mit Rekorden für einzelne Werke? Robert Ketterer: „Der Kunstmarkt ist groß. Es gibt wahnsinnig viele Künstler, wahnsinnig viele Kunstwerke. Aber die Objekte, die heute von den Sammlern wirklich gesucht werden, sind natürlich sehr wenige. Und die zu bekommen, ist die Kunst.“