Selbst wer zum Mindestlohn arbeitet, verfügt über mehr Einkommen als jemand in der Grundsicherung – so das Fazit der Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes (WSI). Und das gelte für Alleinstehende genauso wie für Alleinerziehende mit Kind oder ein Paar mit zwei Kindern.
Wer arbeitet, hat deutlich mehr
Der Einkommensvorteil beträgt demnach im Schnitt 557 Euro bei einer Vollzeitkraft mit rund 39 Stunden pro Woche und dem gültigen Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde. Wobei die Forscher aus Düsseldorf mit eingerechnet haben, dass auch vielen mit Mindestlohn staatliche Hilfen wie Wohngeld, Kinderzuschlag und Freibeträge bei der Steuer zugutekommen.
Fallbeispiel: Der Alleinstehende mit Mindestlohn vs. Bürgergeld
Die Forscher des WSI nehmen ihr Steuer/Transfermodell als Grundlage sowie Daten der Bundesagentur für Arbeit zu Kosten der Unterkunft. Ein Fallbeispiel: Ein alleinstehender Mann mit Mindestlohn kommt den Berechnungen zufolge auf 2.121,58 Euro brutto im Monat. Davon bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 1.546 Euro. Zusammen mit dem rechnerischen Anspruch auf 26 Euro Wohngeld ergibt sich ein verfügbares Einkommen von 1.572 Euro.
Dagegen stehen dem Mann im Bürgergeld 563 Euro Regelsatz und bei gleicher Miete 451,73 Euro für die Unterkunft zu. Zusammen sind dies 1.015 Euro – 557 Euro weniger als im Job mit Mindestlohn. Durchgerechnet wird das auch für Alleinerziehende mit einem Kind und ein Ehepaar mit zwei Kindern.
Hohe Mieten ein Problem
Die Studie blickt auch auf die einzelnen Bundesländer. Für Bayern verzeichnet die Statistik einen Lohnabstand von 530 Euro bei Alleinstehenden, 725 Euro bei Alleinerziehenden und 642 Euro bei einem Ehepaar mit zwei Kindern. Wobei das der Schnitt ist. In einigen Kreisen und Gemeinden wie Regen, Kempten oder Neustadt an der Waldnaab kommt die Familie beim Vergleich Mindestlohn statt Bürgergeld auf über 700 Euro mehr.
Besonders gering fällt der Unterschied in München mit 485 Euro mehr beim Mindestlohn für die Familie sowie in Landshut mit 585 Euro aus. Den Grund dafür nennt die Studie auch: vor allem die Mietkosten. Die werden beim Bürgergeld ganz übernommen – wenn die Wohnung angemessen ist. Niedrigverdiener können da nur auf das Wohngeld zurückgreifen. Hier müsse mehr getan werden, fordert das WSI, um Wohnen wieder finanzierbar für alle zu machen.
Die Mär von der Bürgergeld-Hängematte
Die Forscher des gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fühlen sich durch ihre Berechnungen in einem bestätigt: Wer vom Bürgergeld leben muss, hat weniger in der Kasse als Beschäftigte im Mindestlohn, also keine „Hängematte“, wie es oft kritisiert wird. „Die Behauptung, sie wollten nicht erwerbstätig sein, weil sich mit dem Bürgergeld gut leben lasse, ist sachlich falsch und stigmatisierend“, betont WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.
Es gibt aber auch Studien, die einen geringeren Abstand berechnet haben, je nach Fallkonstellation. Im Herbst will die Regierung ihr Konzept zur neuen Grundsicherung vorlegen.