Die Schnecken der Art Conus lugubris waren ungefähr zwei Zentimeter groß und hatten auffällige Gehäuse: dunkelrote mit weiß-gesprenkelten Streifen. Sie kamen ausschließlich an der kapverdischen Insel São Vicente in Westafrika vor. Weil immer mehr Küstenabschnitte bebaut wurden, hat diese Meeresschneckenart ihren Lebensraum verloren. Seit fast 40 Jahren ist dort keine mehr gesichtet worden, obwohl Wissenschaftler, Freiwillige und private Sammler regelmäßig nach ihr gesucht haben. Jetzt hat die IUCN verkündet, dass Conus lugubris gesichert ausgestorben ist (externer Link).
Gift der Kegelschnecken wichtig in der Medizin
Alle Kegelschneckenarten, von denen es etwa 1.000 gibt, sind Räuber. Nachts kriechen sie über die Riffe und schießen mit langen, giftigen Raspelzungen auf Beute: Würmer oder Krebse. Jede Art hat ihr eigenes, komplexes Gift entwickelt. Eines davon wird seit Jahren als starkes Schmerzmittel in der Medizin genutzt. Es ist ein Wirkstoff, der nicht abhängig macht. Das Gift von Conus lugubris wäre auch interessant gewesen, sagt der Biologe Torben Riehl von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (externer Link): „Theoretisch hätte es sein können, dass eine bestimmte Variabilität dieses Toxins in dieser Schnecke für Krebstherapie nützlich wäre. Das können wir nicht mehr herausfinden.“
Jedes Jahr sterben Tausende Arten weltweit aus
Die Kegelschneckenart ist nur eine von Tausenden Arten, die jedes Jahr vollständig von der Erde verschwinden. Wir befinden uns gerade im größten Massenaussterben seit dem Ende der Dinosaurier. Jede Art für sich sei vielleicht nicht bedeutend, sagt der Biologe Torben Riehl. „Aber jede Art spielt eine kleine Rolle in einer großen Maschinerie des Ökosystems.“ Wenn das eine oder andere Zahnrad dieser Maschine verschwinde, sei es noch ersetzbar, erklärt er, „aber irgendwo kommen wir zu einem Punkt, wo die Maschinerie nicht mehr funktioniert. Und dann kann es sein, dass es zu ganz starken Veränderungen kommt, unter denen wir letztlich auch leiden.“
Das zeigt auch das Beispiel Kegelschnecke: Conus lugubris und ihre Verwandten helfen den Korallen, indem sie fressen, was den Korallen schadet. Die Korallenriffe sind wiederum essenzielle Kinderstuben für viele Fische. Und von der Fischerei leben auf der Erde 800 Millionen Menschen.
Erst ein kleiner Teil der Arten auf der Roten Liste erfasst
Von den vielen Arten, die jedes Jahr aussterben, werden aber nur sehr wenige als gesichert ausgestorben deklariert. Die Organisation komme gar nicht so schnell mit, ihre Rote Liste der gefährdeten Arten zu erweitern, erklärt Craig Hilton-Taylor von der IUCN im BR-Interview. „Eigentlich möchten wir mit dieser Liste das Aussterben auch lieber verhindern und deshalb schon vorher Alarm schlagen.“ Die erfassten Arten werden dazu in sechs Kategorien eingeteilt: „gefährdet“ beispielsweise, oder „vom Aussterben bedroht, wahrscheinlich ausgestorben“. Dabei hat die Rote Liste bisher erst acht Prozent aller bekannten Tier- und Pflanzenarten überhaupt aufgeführt. Die anderen 92 Prozent fehlen noch. „Einige von denen sind mit Sicherheit schon ausgestorben“, schätzt Hilton-Taylor. „Und andere sind gerade dabei, leise und unbemerkt zu verschwinden.“
Wann gilt eine Art als ausgestorben?
Mindestens alle zehn Jahre wird der Zustand der Arten auf der Roten Liste neu bewertet. So sind in diesem Jahr 75 Arten in die Kategorie „möglicherweise ausgestorben“ gerutscht. Um jedoch sicher als ausgestorben zu gelten, müssen Forschende über lange Zeit nach der Art gesucht haben. Auch Computermodelle helfen, die beispielsweise Lebensraumzerstörungen und deren Folgen modellieren. Wenn so ein Modell das Aussterben einer Art auf eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent berechnet, gilt sie als ausgestorben.
Für Conus lugubris Status‘ hat der Biologe Torben Riehl zusammen mit fünfzehn internationalen Kegelschnecken-Experten „zwei Wochen lang nichts anderes getan, als sich in die neuen Daten der letzten zehn Jahre einzuarbeiten und diese dann auszuwerten“. Diese Meeresschneckenart habe jetzt natürlich nichts mehr davon, als ausgestorben deklariert zu sein, sagt Riehl. Aber: „Die Rote Liste ist ein Kommunikationswerkzeug, und zwar ein sehr mächtiges.“ Auch die Regierung der kapverdischen Inseln hat Konsequenzen gezogen und ein neues Gesetz zum Schutz heimischer Tier- und Pflanzenarten verabschiedet.

