Im Zusammenhang mit einem Post beim Kurznachrichtendienst X gab es am Morgen in Berlin eine Durchsuchung bei dem 72-jährigen Autor und Medienwissenschaftler Norbert Bolz, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte. Zuvor hatte die „Welt“ berichtet. Die Behörde ermittelt nach den Angaben wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Bolz, selbst Kolumnist bei der Welt, kommentierte den Einsatz auf der Plattform X mit den Worten „Hausdurchsuchung wegen eines Posts. Junge, nette Polizisten, die mir abschließend den guten Rat gegeben haben, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Das werde ich tun und nur noch über Bäume sprechen.“
Hintergrund der Ermittlungen ist laut Staatsanwaltschaft ein mutmaßlicher Post des Beschuldigten mit dem Inhalt „Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!“. Der Ausspruch „Deutschland erwache!“ werde der verbotenen NSDAP zugeordnet, so die Staatsanwaltschaft.
Bei dem Einsatz sei es darum gegangen zu überprüfen, ob der Beitrag von Bolz verfasst wurde, wie der Sprecher erklärte. Der Beschuldigte sei „kooperativ“ gewesen. Der „Welt“ berichtet Bolz, die Polizisten hätten ein Foto seines Smartphone-Bildschirms gemacht.
Fragwürdiger Humor, offensichtliche Ironie
Nach Angaben seines Anwalts, Joachim Steinhöfel, nahm Bolz in dem Tweet im Januar 2024 Bezug auf einen Beitrag der Tageszeitung „taz“ mit dem Titel „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“. Bolz hatte den zugehörigen X-Post der taz mit dem „Deutschland erwache“-Spruch kommentiert. „Die Ironie in Bolz‘ Tweet ist so offensichtlich, dass man schon vorsätzlich missverstehen muss, um hier eine Straftat zu konstruieren“, sagte Steinhöfel auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Bolz selbst sagte der Welt: „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass man das missverstehen kann.“
Auch die Grünen-Politikerin Ricarda Lang, deren Partei Norbert Bolz oft als „Sekte“ bezeichnet hatte, hielt die Durchsuchung für vollkommen überzogen: „So ziemlich alles, was ich von Norbert Bolz je gelesen habe, fand ich politisch komplett falsch. Aber solche Razzien sind absurd. Und die so weitgehende Interpretation des Strafrechts bei Meinungsdelikten untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat“, schrieb Lang auf X. Auch die taz, auf deren Artikel sich Bolz bei seinem Post bezogen hatte, kommentierte den Fall: „Die taz wundert sich über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, hält eine Hausdurchsuchung wegen eines solchen Tweets für unverhältnismäßig und fragt sich, warum die Staatsanwaltschaft nicht schon 1998 bei der taz geklingelt hat, als wir titelten „Deutschland, erwache!“
Keine weiteren Auskünfte der Behörden
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kam der Hinweis von einer Meldestelle gegen Hetze in Netz. Diese habe die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (BKA) informiert – und diese leitete den Fall dann wegen des Wohnorts von Bolz nach Berlin weiter. Von der Staatsanwaltschaft hieß es, weitere Auskünfte könnten „zum Schutz der Ermittlungen“ nicht erteilt werden.

