Die BayWa AG steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Während der Vorstand die Hauptverantwortung für die gescheiterte, schuldenfinanzierte Expansionsstrategie trägt, steht auch der Aufsichtsrat massiv in der Kritik. Er hätte die riskanten Geschäfte kritisch prüfen und kontrollieren müssen – stattdessen wird ihm vorgeworfen, die Entwicklungen klaglos begleitet und unkritisch abgesegnet zu haben.
Der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Nüssel (2000–2023) unterstützte die riskante Strategie des damaligen Vorstandschefs Klaus Josef Lutz. Unter deren Führung setzte BayWa mit teuren Zukäufen in erneuerbare Energien und internationale Märkte auf Wachstum – ein Kurs, der am Ende in einem 1,6-Milliarden-Euro-Verlust für 2024 und einem Sanierungsverfahren mündete.
BayWa-Aufsichtsrat: 16 Mitglieder, viele lange im Amt
Der aktuelle Aufsichtsrat besteht aus 16 Mitgliedern, je zur Hälfte Arbeitnehmer- und Eigentümervertreter. Trotz der tiefen Krise blieben die meisten im Amt. Den Vorsitz übernahm im Mai 2024 Gregor Scheller. Er gilt allerdings nicht als völliger Neuling, da er bereits von 2008 bis 2014 Mitglied war. Langjährige Mitglieder sind etwa Bauernpräsident Joachim Rukwied und die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, die dem Gremium seit 2013 angehören.
Scharfe Kritik von Anlegerschützern
Diese langjährigen Amtszeiten stehen im Zentrum der Kritik. Aktionärsschützer sprechen von einer engen „Verfilzung“ mit politischen und wirtschaftlichen Interessen, die einen echten Neuanfang blockiere. Die Mitglieder säßen „wie mit Pattex an ihren Stühlen festgeklebt“, empört sich die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Daniela Bergdolt.
Bergdolt warf dem Gremium auf der Hauptversammlung vor, wichtige Sorgfaltspflichten vernachlässigt zu haben: „Alle Augen wurden zugedrückt. Die Überwachung des Vorstands und der Risikosteuerung ist völlig ausgefallen. Haben Sie keinen Anstand? Kennen Sie kein Ehrgefühl?“ Die internationale Expansion sei selbstherrlich und strategisch mindestens zweifelhaft gewesen.
Paul Petzelberger von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierte scharf, dass trotz der geplanten 1.600 Stellenstreichungen der Aufsichtsrat nahezu unverändert geblieben sei: „1.600 Mitarbeiter sollen vor die Tür und den Aufsichtsrat, den präsentieren Sie uns nahezu unverändert, wie kann das sein?“ Für ihn signalisiert nur eine umfassende personelle und inhaltliche Erneuerung Glaubwürdigkeit.
Kontrollpflichten verletzt?
Die Vorwürfe an den Aufsichtsrat sind schwerwiegend: Er habe die Risiken der riskanten Expansion zu spät erkannt und kontrolliert, an langjährigen, politisch vernetzten Mitgliedern festgehalten und damit die Krise mit verursacht. Besonders die Rolle von Bauernpräsident Rukwied und CSU-Politikerin Hohlmeier wird als Beispiel für die enge Verflechtung mit Politik und Landwirtschaft gesehen, die echte Reformen erschweren.
Auf der gestrigen Hauptversammlung wurde die Entlastung des Aufsichtsrats verschoben, bis die internen Untersuchungen und staatsanwaltlichen Ermittlungen zu möglichem Fehlverhalten abgeschlossen sind. Parallel fordern Aktionärsschützer die Rückforderung der millionenschweren Abfindung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Lutz. Der Aufsichtsrat sieht rechtliche Rückforderungen derzeit nicht als möglich an.
Django Asül zum Sechzigsten
Gegenstand interner Ermittlungen ist bis heute der Auftritt des Kabarettisten Django Asül beim 60. Geburtstag der BayWa-Aufsichtsrätin und CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier. Django Asül hielt 2022 eine etwa zehnminütige „maßgeschneiderten Gastrede“ zur politischen Lage. Der damalige Vorstandschef Klaus Josef Lutz hatte Asül als „persönliche Überraschung“ eingeladen. Die Rechnung über knapp 11.000 Euro wurde drei Tage nach der Feier an BayWa geschickt und vom Unternehmen bezahlt. Das löste intern und extern heftige Kritik aus und wird als weiterer Beleg für eine zu große politische Nähe und Vetternwirtschaft bei der BayWa genannt.
Aufsichtsratschef weist Kritik zurück
Der seit Mai 2024 amtierende Vorsitzende Gregor Scheller betont, dass der Aufsichtsrat seine Pflichten ernst nehme. Seit der Krise arbeite man intensiv an Sanierungskonzepten, Finanzierungsmaßnahmen und Restrukturierungen. Ein vollständiger Neuanfang steht aber noch aus.
Aus Sicht der Aktionäre braucht die BayWa nun nicht nur ein starkes Krisenmanagement, sondern auch einen echten Neuanfang in der Unternehmensaufsicht, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Die Forderungen nach personellen Konsequenzen und rechtlicher Klärung sind Ausdruck der tiefen Unzufriedenheit und des Misstrauens, das über dem Konzern schwebt. Derzeit, so scheint es, wollen die Aufsichtsräte das Thema aussitzen.