Dass sie zumindest einen Teil ihrer Verluste ausgleichen können, die sie im Zuge der Wirecard-Pleite erlitten haben, darauf hoffen 53.000 Aktionäre. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe will heute entscheiden, ob sie, wie normale Gläubiger, Geld aus der Insolvenzmasse bekommen oder nicht. Die Wirecard-Pleite ist die größte der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Größte Pleite der Nachkriegszeit – 20 Milliarden Euro Schaden
Alle Gläubiger zusammen – insgesamt sind es 54.000 – haben Forderungen von über 20 Milliarden Euro angemeldet. Die Insolvenzmasse beträgt aber nur 650 Millionen Euro. Eine Klage der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, Union Investment, hatte im November 2022 das Landgericht München abgewiesen: Ansprüche von Aktionären als Insolvenzforderung seien mit den Grundwerten des Insolvenzrechts nicht vereinbar. Das Oberlandesgericht München sah das anders und verwies den Fall zur Klärung an den Bundesgerichtshof.
In dieser wichtigen Angelegenheit gibt es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Wirecard wird also zum Präzedenzfall. Der BGH muss entscheiden, ob die Forderungen der Aktionäre genauso behandelt werden wie die der Gläubiger.
Neuland für Bundesgerichtshof: Rechtslage kompliziert und umstritten
Auch unter Juristen ist die Rechtslage umstritten. Aktionäre haben möglicherweise Schadenersatz-Ansprüche aus der Prospekthaftung, gegenüber dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY oder auch gegen Ex-Wirecard-Chef Markus Braun. Das sind Ansprüche aus dem Kapitalmarktrecht.
Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Heinrich Schoppmeyer, erklärte in der mündlichen Verhandlung: Beide Seiten hätten gute Argumente. Er verwies aber darauf, dass die Insolvenzordnung Regelungen für eine Verteilung der Insolvenzmasse habe. Das heißt: Die Aktionäre, sprich die Miteigentümer, kommen erst dann zum Zuge, wenn alle Gläubiger, das sind Banken, Lieferanten und auch ehemalige Angestellte, befriedigt sind.
Insolvenzmasse: Im Fall Wirecard gibt es nicht viel zu verteilen
Ob und wieviel Geld die insgesamt 54.000 Gläubiger erhalten, darunter die erwähnten 53.000 Aktionäre, ist offen. Der Insolvenzverwalter Michael Jaffé bestreitet die Forderungen der Aktionäre jedenfalls. Vorrang haben für ihn Gläubiger wie Banken und Lieferanten. Die Eigentümer will er nur beteiligen, wenn ganz am Ende des Insolvenzverfahrens noch Geld übrig ist. Und das ist angesichts der vergleichsweise kleinen Insolvenzmasse von 650 Millionen Euro eine illusorische Erwartung.

