Der Bundeskanzler macht Druck. Eine umfassende Reform des Bürgergelds soll nach dem Willen von Friedrich Merz (CDU) bis zum Jahresende kommen. Er gehe davon aus, dass Union und SPD „noch in diesem Jahr die wichtigsten Eckpunkte für eine solche Reform miteinander vereinbaren“, sagt Merz am Mittwochabend nach rund zweistündigen Beratungen von Union und SPD im Koalitionsausschuss.
Balanceakt für SPD-Chefin Bärbel Bas
Neben ihm sitzt diejenige, die den Umbau des Bürgergelds in die neue Grundsicherung erarbeiten muss: Bärbel Bas, Arbeitsministerin und SPD-Co-Chefin. Sie steht vor einem Dilemma. Einerseits will auch sie das Bürgergeld reformieren, andererseits muss der Umbau so gestaltet werden, dass ihre Parteifreunde nicht Sturm laufen. „Mich muss man auch nicht zum Jagen tragen“, betont sie. Doch im Gegensatz zu Merz gibt sie sich bei dem Thema deutlich zurückhaltender.
Das liegt unter anderem an der unterschiedlichen Erwartungshaltung. Während viele Unions-Politiker den Eindruck erwecken, es gehe um hohe Einsparmöglichkeiten und die Chance, damit einen beachtlichen Teil der Haushaltslücke stopfen zu können, äußert sich SPD-Ministerin Bas vorsichtiger – insbesondere mit Blick auf die Einsparmöglichkeiten.
Kanzler will jedes Jahr fünf Milliarden Euro einsparen
Die Kosten für das Bürgergeld lagen im vergangenen Jahr bei fast 47 Milliarden Euro. Kanzler Merz glaubt, mit einer Reform des Bürgergelds etwa fünf Milliarden Euro im Haushalt einsparen zu können. In einem Fernsehinterview sagte er diese Woche: „Wenn wir uns nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe.“
Die zuständige Ministerin nimmt diese Zahl nicht in den Mund. Vermutlich, weil Bas weiß, dass die Einsparungen am Ende womöglich geringer ausfallen. Ihr Ministerium sowie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt die Einsparmöglichkeit auf rund drei Milliarden Euro im Jahr.
Bürgergeldreform: Was bisher geplant ist
Klar ist, dass es für Bürgergeldempfänger, die nicht kooperieren wollen und Arbeitsverweigerer in Zukunft ungemütlich werden soll. Wenn sie nicht zu Terminen erscheinen oder Arbeitsangebote mehrfach ablehnen, sollen die Sanktionen verschärft werden. Missbrauch müsse außerdem unter Kontrolle gebracht und gestoppt werden.
In der Bevölkerung gibt es Rückenwind für solche Maßnahmen. Im ARD-DeutschlandTrend befürwortet eine Mehrheit von 86 Prozent härtere Sanktionen.
Bas will mit der Reform des Bürgergelds erreichen, dass Betroffene verstärkt in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Als Beispiel rechnet sie vor: „Wenn wir 100.000 Menschen mehr in Arbeit bringen, dann macht das durchaus ein bis zwei Milliarden Euro aus, die wir dann auch sparen.“
Reform wird Finanzprobleme nicht lösen
Doch ob ein, drei oder die vom Kanzler geforderten fünf Milliarden Euro – mit einem reformierten Bürgergeld lassen sich die Probleme des Bundeshaushalts nicht lösen. Das Loch in der Haushaltskasse ist um ein Vielfaches größer. Allein im Haushalt 2027 klaffe eine Lücke von mehr als 30 Milliarden Euro. Das habe es noch nie gegeben, sagt Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) nach den Koalitionsberatungen im Kanzleramt.
Kritik: Zu starker Fokus auf Bürgergeld-Debatte
Während die AfD der schwarz-roten Koalition mangelnden Reformwillen beim Bürgergeld vorwirft, warnen die Grünen vor falschen Versprechungen. Es sei zu befürchten, dass es dem Kanzler und der Regierung nur darum gehe, Menschen in Not die Schuld an ihrer Lage zu geben, statt ihnen echte Chancen zu geben, sagt Grünen-Chefin Franziska Brantner.
Für die Linke geht es in der aktuellen Debatte zu viel um sogenannte Totalverweigerer, die zumutbare Arbeit ablehnen. Dabei seien das lediglich 0,27 Prozent der Bürgergeld-Empfänger, sagt Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner.
Städtetag: Bürgergeld nicht der größte Kostentreiber
Auch wenn jeder dieser Fälle einer zu viel ist, kritisiert auch der Deutsche Städtetag einen zu starken Fokus auf das Bürgergeld. Das sei nicht der größte Kostentreiber. „Die Kosten laufen bei anderen Leistungen aus dem Ruder, wie etwa der Hilfe zur Pflege, den Eingliederungshilfen oder der Kinder- und Jugendhilfe“, erklärt Hauptgeschäftsführer Christian Schuchardt. Hier müsse der Bund Lösungen finden.