Eine Prozesswelle schwappt derzeit über das Land. Mehr als 2.000 Grundstückseigentümer hatten oder haben gegen die neue Grundsteuer geklagt. Sie kritisieren, dass sie zu viel Grundsteuer bezahlen müssen. Sie sind der Ansicht, dass ihr Eigentum durch die neue Grundsteuer zu hoch bewertet wird.
Was die Grundsteuer brisant macht: Sie betrifft nicht nur Grundstückseigentümer oder Wohnungsinhaber, sondern über die Nebenkostenabrechnung auch Mieterinnen und Mieter. Drei Fälle sind nun bis vor den Bundesfinanzhof (BFH) in München gekommen. Von einer Entscheidung des obersten deutschen Steuergerichts wird eine Signalwirkung ausgehen. Die Finanzgerichte haben die bereits anhängigen Verfahren bis zu einer Entscheidung des BFH ausgesetzt.
Grundsteuer: Länder mit eigenen Regelungen
Die Neuregelung der Grundsteuer war aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) notwendig geworden. Karlsruhe hatte 2018 entschieden, dass das alte Grundsteuerrecht nicht mehr verfassungsgemäß ist. Es beruhte auf Grundstückswerten, die im Westen seit 1964 und im Osten sogar seit 1935 nicht mehr angepasst worden waren. Vor allem in Berlin führte dies zu Grundsteuerbescheiden, die fern jeder Realität waren.
In der Folgezeit erarbeitete der Bund ein neues Grundsteuergesetz. Nach Protesten aus den Ländern wurde das Gesetz mit einer Öffnungsklausel versehen. Neben dem „Bundesmodell“ haben sich Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen für eigene Grundsteuermodelle entschieden. Bei der Verhandlung vor dem BFH geht es aber um das „Bundesmodell“, das in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin angewandt wird.
Einzelfallgerechtigkeit versus Massenverfahren
In der Verhandlung in München geht es vor allem darum, ob die Kläger die Beurteilung ihrer Grundstücke hinnehmen müssen, oder ob diese so grob daneben liegt, dass sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Der Gesetzgeber stand vor einem Dilemma. Er musste Kriterien finden, um 36 Millionen Grundstücke in Deutschland neu zu bewerten. Bei Massenverfahren sind Pauschalierungen erlaubt. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass nicht jedes Grundstück zu 100 Prozent richtig eingeordnet wird.
Das Bundesmodell gibt eine Reihe von Kriterien vor, wie die neue Grundsteuer erhoben wird. Unter anderem gilt bei Wohngebäuden das sogenannte pauschalierte Ertragswertverfahren. Dieses ist kompliziert zu berechnen: Neben dem Gebäudetyp, also Einfamilienhaus oder Mietwohngrundstück und dem Alter in fünf Kategorien wird eine Nettokaltmiete ermittelt, die auf statistischen Daten beruht und immer wieder angepasst werden muss. Außerdem gibt es Zu- und Abschläge für Städte oder ländliche Gebiete.
Kritiker wie der Eigentümer-Verband „Haus und Grund“ oder der Bund der Steuerzahler, die die Kläger unterstützen, sehen darin eine übermäßige und damit rechtswidrige Belastung. Diese gehe so weit, dass das Grundsteuergesetz des Bundes verfassungswidrig sei.
Nächster Halt für die Grundsteuer: Karlsruhe
Der Bundesfinanzhof wird eine Entscheidung aller Voraussicht nach am 10. Dezember verkünden. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird der BFH ein Urteil sprechen, wenn er die Regelung für verfassungsgemäß hält. Sollten die Kläger damit nicht einverstanden sein, werden sie wohl Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erheben.
Macht der Münchner Bundesfinanzhof eigene verfassungsrechtliche Bedenken geltend, kann er das Gesetz nicht selbst für verfassungswidrig erklären, das darf nur das Bundesverfassungsgericht. Dann wird er diese Verfahren, wie auch alle anderen insgesamt 15, die beim BFH anhängig sind, aussetzen und in Karlsruhe vorlegen, damit das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Eines ist klar: Der Streit über die Grundsteuer ist noch lange nicht ausgestanden.
Wie hat Bayern die Grundsteuer geregelt?
Das bayerische Grundsteuermodell steht aktuell nicht zur Verhandlung beim Bundesfinanzhof. Insgesamt haben auch bedeutend weniger Eigentümerinnen und Eigentümer im Freistaat Klage gegen bayerische Grundsteuerbescheide eingereicht. Waren es in Hessen über 600 und NRW mehr als 400, so liegt Bayern mit 65 Klagen am unteren Ende. Dies liegt vor allem auch daran, dass die Grundsteuer in Bayern anders berechnet wird.
Während beim Bundesmodell die Wohnimmobilie je nach Alter und Lage bewertet wird, spielt das in Bayern keine Rolle. Es ist ein reines Flächenmodell, bei dem die Grundstücksgröße und die Gebäudefläche einbezogen wird. Für Grund und Boden werden 0,04 Euro/qm erhoben, für Gebäudeflächen 0,50 Euro/qm. Es gibt aber Abschläge für Wohngebäude. Dann werden nur 0,35 Euro/qm verlangt. Die sich ergebende Summe wird dann mit einer Grundsteuermesszahl multipliziert, einem Hebesatz, den die Kommunen einmalig festgelegt haben. Nach Recherchen des BR haben 152 Kommunen den Hebesatz erhöht.

