Eine Fabrikhalle in Augsburg. Arbeiter schrauben an Metallblöcken, die das Ausmaß eines Kleinwagens haben. Es sind Getriebe für Panzer. Seit Jahrzehnten produziert sie der Hersteller Renk im Süden der schwäbischen Stadt. Die tonnenschweren Getriebe werden in nahezu alle Panzerfahrzeuge der westlichen Welt verbaut. Wenn zum Beispiel der Münchener Hersteller KNDS Deutschland kommende Woche die neueste Generation des Kampfpanzers Leopard 2 präsentiert, dann steckt unter der Haube auch wieder Technologie aus Augsburg.
Rüstung: Traditionsfirmen verbünden sich mit Start-ups
Bisher beliefert Renk vor allem die großen, traditionellen Rüstungskonzerne. Das wird sich aber bald ändern. Seit dem Sommer arbeitet Renk nämlich auch mit Branchenneulingen wie Arx Robotics zusammen. Das ist ein Start-up, das seit gerade einmal drei Jahren existiert. Arx baut auch Panzerfahrzeuge. Allerdings haben die keinen Fahrer an Bord, weil sie deutlich kleiner sind als herkömmliche Panzer. Für Renk-Chef Sagel sind solche autonomen Systeme ein wichtiger Baustein im Militär der Zukunft: „Die werden benötigt, um das wichtigste Gut in der westlichen Militärführung abzusichern, nämlich den Soldaten. Und aus dem Grund werden immer mehr unbemannte Plattformen in Ergänzung zu den klassischen Panzern eingesetzt werden.“
Flinke Elektromobile statt riesiger Panzer
Die sogenannten unbemannten Plattformen sind zunächst einmal leise. Denn anders als zum Beispiel ein Leopard 2 mit seinem donnernden Diesel-Triebwerk werden die unbemannten Kleinpanzer von Arx Robotics elektrisch angetrieben.
Ein exklusiver Blick in die Produktion nördlich von München: Es ist ein trüber Freitag im Herbst. Draußen wabert zäher Nebel über das Erdinger Moos. In einer unscheinbaren Halle in der Nähe des Münchener Flughafens herrscht dagegen geschäftiges Treiben. Und dann rollt mit einem leisen Surren Gereon heran. Ungefähr hüfthoch wiegt er gerade einmal eine halbe Tonne. Ein Zwerg im Vergleich zu einem Leopard 2. Doch dieser Mini-Panzer ist derzeit heiß begehrt.
Industriekonzerne als Produktionsdienstleister
Mehr als hundert Gereon-Kleinpanzer sind angeblich bereits in der Ukraine im Einsatz, weitere werden unter Hochdruck montiert. Genaue Zahlen nennt Marc Wietfeld nicht. Er hat Arx Robotics zusammen mit zwei anderen früheren Offizieren gegründet und leitet das Unternehmen, das binnen kürzester Zeit von drei auf 130 Mitarbeiter gewachsen ist.
Für die erwartete Massenproduktion reicht das aber nicht. Deswegen hat er sich Partner gesucht: neben Renk aus Augsburg auch eher zivile Industrieunternehmen wie Daimler oder Deutz. Er ist überzeugt: Wenn es Deutschland ernst meint mit der Zeitenwende, dann müsse man die Industrie in ihrer Breite einbinden. Unternehmen wie Arx Robotics entwickeln zwar revolutionäre Technologien, die dank KI autonome Panzer oder Fluggeräte ermöglichen. Doch für die Massenproduktion von zehn- oder hundertausenden von Drohnen sind diese Firmen zu klein. Wietfeld und die Chefs anderer Start-ups sehen sich deshalb eher als Makler, die neue industrielle Netzwerke knüpfen.
Rüstungsindustrie: Bayern als Start-up-Hochburg
Arx Robotics ist nämlich nicht das einzige erfolgreiche Militärtechnik-Start-up aus dem Großraum München. In Oberbayern sitzen mit Helsing und Quantum Systems gleich zwei sogenannte Einhörner. Das sind Firmen, die am Finanzmarkt mit Milliardensummern bewertet werden.
Sie alle setzen auf eine Entwicklung, in der nahezu alle militärischen Geräte über Datennetze miteinander verknüpft sind. Die Bundeswehr müsse sich auf ein neues, digitales Zeitalter einstellen, sagt Helsing-Chef Gundbert Scherf. Dort gebe es zwar immer noch hochkomplexes Gerät, wie einen Eurofighter, von dem jedes Exemplar einen dreistelligen Millionenbetrag kostet. Doch der Trend gehe in eine andere Richtung: Massen von relativ simplen und vor allem billigen Drohnen. Und ein Schwarm solcher KI-gesteuerter Billigdrohnen könne den Gegner durch reine Überzahl und komplexe, koordinierte Manöver, sogenannte ConOps überwältigen.
Drohnenwall: Reserve-Fabriken statt Drohnen in Lagerhaltung?
Ähnlich sieht man das beim Wettbewerber Quantum Systems. Firmenchef Florian Seibel gehörte zu den frühesten Unterstützern der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren. Seit den ersten Kriegstagen hat er tausende von Überwachungsdrohnen geliefert. Derzeit verhandelt er – wie seine Konkurrenten – mit der Bundeswehr darüber, welche und wie viele Systeme die deutschen Streitkräfte in Zukunft beschaffen werden.
Seibel hält es für kein durchdachtes Konzept, zehntausende von vorproduzierten Drohnen zur Abschreckung einzulagern. Denn die technische Entwicklung gehe so schnell voran, dass heute produzierte Drohnen in ein oder zwei Jahren veraltet und damit nutzlos sein könnten. Er setzt deshalb auf eine Art industrielle Reserve. Seibel stellt sich konkret eine Fabrik vor, die in Friedenszeiten in einer Art Dämmerzustand arbeitet, bei Bedarf aber schnell auf Massenproduktion umstellen kann. Das koste zwar auch Geld, sei aber billiger, als auf Verdacht Dinge zu produzieren, die man womöglich nie brauche.

