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Unstrittig scheint: Deutschland hat ein vergleichsweise komfortables System, wenn es darum geht, kranke Mitarbeitende finanziell aufzufangen. Wer nicht zur Arbeit kommen kann, erhĂ€lt vom ersten Tag an 100 Prozent seines Gehalts weiterbezahlt. Das ist in Europa nicht ĂŒberall so. So gibt es etwa in Schweden, Spanien oder Griechenland solche Karenztage, wie sie jetzt Allianz-Chef Oliver BĂ€te gefordert hat, also Tage, an denen nicht gezahlt wird. Und auĂerdem gibt es in vielen LĂ€ndern deutlich weniger als 100 Prozent Lohnausgleich.
FĂŒhren die groĂzĂŒgigen Regelungen in Deutschland also dazu, dass sich Arbeitnehmer besonders oft krankmelden?
Deutsche Weltmeister im Krankschreiben?
Auf BR24 haben sich bereits viele Userinnen und User zum Thema zu Wort gemeldet. HĂ€ufig wurde dabei angefĂŒhrt, Deutsche wĂŒrden sich im internationalen Vergleich am hĂ€ufigsten krankmelden. âBisher waren wir âExportweltmeisterâ jetzt sind wir âWeltmeister bei den Krankheitstagen'â, schrieb etwa âmotzerâ. Andere User unterstrichen das. So kommentierte âGuter_Gedankeâ etwa, dass das Land von einer Leistungsgesellschaft immer stĂ€rker zu einer Freizeitgesellschaft mutiert sei.
Das Statistische Bundesamt meldet fĂŒr 2023, dass deutsche Mitarbeitende im Schnitt 15,1 Tage im Jahr nicht zur Arbeit erschienen. Ein Vergleich mit den Daten aus anderen LĂ€ndern ist dabei aber wenig sinnvoll. So heiĂt es in einer aktuellen Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW, dass es in Deutschland keine einheitliche Datenbasis gebe, die die Fehlzeiten akkurat erfasse. Das macht einen sauberen Vergleich zwischen den LĂ€ndern unmöglich. Trotzdem wĂŒrde Nicolas Ziebarth, Bereichs-Leiter beim ZEW zustimmen, dass Deutschland zu den internationalen Spitzenreitern bei den Fehlzeiten zĂ€hlt.
Darum gibt es seit 2022 so viele Krankmeldungen
Das Statistische Bundesamt verzeichnet nach 2021 einen deutlichen Anstieg der Fehltage in Deutschland. Damals waren es noch 11,2 Tage gewesen, also rund vier Tage weniger als 2023. GrĂŒnde dafĂŒr gibt es mehrere. So hat der PrĂ€sident der BundesĂ€rztekammer, Klaus Reinhardt, noch einmal darauf hingewiesen, dass 2022 die elektronische ArbeitsunfĂ€higkeitsbescheinigung (AU) eingefĂŒhrt wurde. Vorher â mit den Papierzetteln â hĂ€tten viele Krankmeldungen die Krankenkassen gar nicht erreicht, so Reinhardt. Grund: Viele Arbeitnehmer warfen den Teil der AU, der fĂŒr die Kassen gedacht war, einfach in den MĂŒll.
Ein weiterer Grund fĂŒr den jĂŒngsten Anstieg bei den Krankmeldungen ist laut ZEW-Forscher Ziebarth, dass die Menschen sensibler geworden sind, was Atemwegserkrankungen angeht. âSeit der Corona-Pandemie gehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seltener mit ErkĂ€ltungen zur Arbeit.â
BĂ€te-Vorschlag ânicht auf dem Stand der Wissenschaftâ
Nicolas Ziebarth vom ZEW sieht den Karenztag-Vorschlag von Allianz-Chef Oliver BĂ€te ĂŒberaus kritisch. Aus wissenschaftlicher Sicht ist noch nicht einmal sicher, ob damit wirklich die Zahl der Fehltage zurĂŒckgehen wĂŒrde. Möglich wĂ€re vielmehr, dass Arbeitnehmer sich im Zweifelsfall lieber gleich lĂ€nger krankschreiben lassen, bevor sie einen RĂŒckfall riskieren und damit eine zweite Krankschreibung mit einem zweiten unbezahlten Tag.
In jedem Fall wĂŒrden mehr Menschen krank in die Arbeit kommen, als bisher, so Ziebarth. Das wĂŒrde zu höheren Folgekosten fĂŒr die Firmen fĂŒhren, etwa weil andere Arbeitnehmende angesteckt werden.
Teilzeit-Krankschreibung statt Hausbesuch
Trotzdem besteht in Deutschland womöglich wirklich Handlungsbedarf, um den Krankenstand in den Unternehmen zu senken. Aber welche Methode anwenden? Der US-Autobauer Tesla versuchte es zuletzt mit Druck und schickte FĂŒhrungskrĂ€fte zu vermeintlichen Blaumachern nach Hause. Abgesehen davon, dass solche Kontrollen in privaten Wohnungen rechtlich heikel sind, gĂ€be es auch andere weniger rigide AnsĂ€tze, die motivierend wirken.
ZEW-Forscher Nicolas Ziebarth verweist auf die skandinavischen LĂ€nder, wo Teilkrankschreibung gang und gĂ€be sind. Das bedeutet, dass jemand, der sich etwa wegen einer ErkĂ€ltung schlapp fĂŒhlt, vielleicht nur vier Stunden von zu Hause arbeiten muss. Die Erfahrungen mit solchen flexiblen Krankschreibungen sind Ziebarth zufolge sehr gut. Die KrankenstĂ€nde gehen tendenziell zurĂŒck.
Und noch einen Vorschlag hĂ€tte Ziebarth: Belohnung anstatt Bestrafung. Firmen könnten demnach ĂŒber einen Bonus nachdenken fĂŒr Mitarbeiter, die besonders selten oder gar nicht fehlen.