In Traunstein wurde nun ein außergewöhnliches Gebäude eröffnet, das einmalig in Deutschland ist. Der Bau ist Teil des katholischen Bildungscampus der Erzdiözese München und Freising und besteht aus Lehm – einem Baustoff, der älter ist als jede Baumaschine, aber trotzdem modern und nachhaltig, wie die Laufener Architektin Anna Heringer sagt.
Lehm gebrandmarkt als verletzliches Material
Böden, Wände und Decken des unkonventionellen Hauses sind aus dunkelbraunem Lehm, das Fundament in Beton gegossen, große Fenster-Fronten bringen Licht in die Flure. Sitzecken und Nischen laden zum Arbeiten, Ratschen oder Entspannen ein. Stühle und Tische sind aus recyceltem Plastik. 20 Millionen Euro hat der Bau das Erzbistum München und Freising gekostet – inklusive Pelletheizung, Solarthermie und Photovoltaikanlagen.
Der Lehmbau ist zweistöckig und gilt als erstes freitragendes Lehmgebäude in Deutschland, verkündet Architektin Heringer: „Das Wichtigste ist das Vertrauen in das Material Lehm. Lehm ist immer gebrandmarkt als das verletzlichste und ärmste Material. Dabei ist es das wertvollste Material, das wir haben. Lehm kann uns wundervoll behausen.“
Mit Lehm, Glas und Holz hat Heringer in dem Neubau Elemente verschiedener Kulturen und Bauweisen zusammengebracht: Zwei Innenhöfe etwa erinnern an die Tradition der Klöster.
Lehm gilt als besonders ökologischer Baustoff
Der Baustoff Lehm gilt als besonders ökologisch und nachhaltig. Er ist durchlässig, speichert Wärme und Feuchtigkeit besonders gut und gibt diese später wieder ab. Dadurch schafft Lehm ein angenehmes Raumklima, das für Allergiker gut geeignet ist.
Und: Lehm ist ein regionaler Baustoff, der gut recycelt werden kann. Doch das Bauen mit Lehm ist sehr zeitintensiv und birgt höheren Anforderungen an Stabilität und Wärmedämmung. Im Laufe der Zeit wurde Lehm von Beton, Stahl und Ziegel verdrängt. Heute kehrt der Baustoff langsam wieder zurück auf die Baustellen.
Der Bau in Traunstein soll ein Statement sein für Nachhaltigkeit, sagt der Direktor der Stiftung des dortigen Erzbischöflichen Studienseminars St. Michael, Wolfgang Dinglreiter: „Wir wollten einen Nachhaltigkeits-Campus schaffen und wollen, dass sich das in der innovativen Architektur widerspiegelt. Ein Ort, der alle vier Dimensionen der Nachhaltigkeit ökologisch, sozial, wirtschaftlich und spirituell versucht, zusammenzubringen.“
Bau dauerte sieben Jahre und kostete 20 Millionen Euro
Sieben Jahre dauerte der Bau im Auftrag der Erzdiözese München und Freising. Das Lehmhaus beinhaltet ein Inklusionscafé der Caritas, einen Secondhand-Spielzeugladen, eine pädagogische Frühförderstelle und eine Mensa für die Internatsschüler des Campus. Außerdem ist ein großer Bereich für Startups mit Arbeitsplätzen und modernen Besprechungsräumen eingerichtet – der sogenannte „Impact Hub“ für Unternehmensgründer aus Traunstein.
13 kirchliche und nicht-kirchliche Organisationen sind im neuen Campus angesiedelt. „Hier gibt man Startups die Möglichkeit, ihre Ideen noch einmal reifen zu lassen, gut anzuschauen und dann eine Startrampe und Schwung zu bekommen, sich zu trauen und dann selber eine Idee umzusetzen – im Sinne der Nachhaltigkeit. Dafür kann der Ort ein Hoffnungsort werden“, sagt Direktor Wolfgang Dinglreiter.
Interessierten steht das neue Lehmhaus offen
Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx segnete im Rahmen einer Feier den neuen Lehmbau. Zum Areal in Traunstein gehört außerdem ein Kindergarten, ein Jungeninternat und Veranstaltungsräume der Erwachsenenbildung.
Zur Eröffnung gibt es für die Traunsteiner ein 100-Tage-Veranstaltungsprogramm: Bei Workshops zur Schöpfungs-Spiritualität, Kleidertauschpartys, Reparaturcafé oder auf einer Tour mit der Architektin können Interessierte das Haus kennenlernen.

