Es gibt sie als Cowboys und Ritter. Als Feen oder Bauarbeiter. Seit ihrer Vorstellung auf der Nürnberger Spielwarenmesse 1974 hat der Playmobil-Hersteller „geobra Brandstätter“ schätzungsweise über drei Milliarden Playmobil-Figuren hergestellt. Jahrzehnte lang waren diese aus Kinderzimmern – nicht nur in Deutschland – kaum wegzudenken. Doch kurz nach dem Tod des Firmenchefs Horst Brandstätter im Jahr 2015 begann für das Zirndorfer Unternehmen eine Talfahrt, die noch immer nicht gestoppt ist.
Warum zuletzt der Betriebsrat zurücktrat
Das neue Jahr 2025 begann für Playmobil mit einem Paukenschlag. Es ist der 11. Januar, als Meldungen durchsickern über den geschlossenen Rücktritt des Betriebsrats. Anfangs hält sich das Gremium zu den Gründen bedeckt. In einem internen Schreiben, das dem BR mittlerweile vorliegt, begründet der Betriebsrat seine Entscheidung unter anderem mit den „anhaltenden Unsicherheiten durch die laufende Wahlanfechtung der Betriebsratswahl 2022“. Diese hatte das Arbeitsgericht Nürnberg in erster Instanz für unwirksam erklärt.
Der Betriebsrat hat dieses Urteil aber angefochten. Den eigenen Angaben zufolge will der Betriebsrat mit dem Rücktritt nun den Weg für Neuwahlen freimachen, „um sicherzustellen, dass ein legitim gewähltes Gremium die Interessen der Belegschaft vertreten kann“. Außerdem müsse das Gremium nach der Streichung von 700 Jobs jetzt „an die aktuelle Belegschaftsstärke“ angepasst werden.
Betriebsrat und Unternehmensführung bekriegen sich seit Jahren
Negativschlagzeilen gibt es bei Playmobil seit Jahren immer wieder. Auffällig oft geht es dabei um das Betriebsklima. 2016 ging der Streit um eine Betriebsratswahl bis vor Gericht. Vor der Neuwahl tauchten im Playmobil-Stammwerk im mittelfränkischen Dietenhofen dann Flugblätter auf, von deren Inhalt sich die damals noch mit zuständige Gewerkschaft IG Metall diffamiert sah. Zwei Jahre später polterte die IG Metall noch lauter gegen den Playmobil-Hersteller. Betriebsräte würden schikaniert und die Geschäftsführung wolle sie „rausklagen“, so die Vorwürfe. Auch von Abmahnungen und Strafversetzungen war die Rede.
Als Mitglieder des Betriebsrats dann Teile der Belegschaft angesichts von über 37 Grad Hitze am Arbeitsplatz zu zehnminütigen Pausen aufgerufen hatte, eskalierte der Streit noch weiter. Das Zirndorfer Unternehmen forderte, acht Betriebsratsmitglieder aus dem Gremium auszuschließen und zog vor Gericht, wo geobra Brandstätter allerdings scheiterte. Das Verhältnis habe sich aber, heißt es von geobra Brandstätter auf BR-Anfage, „in den letzten Monaten normalisiert“.
In Kinderzimmern weniger gefragt – Stellenabbau als Folge
Dass es mit dem Betriebsklima seit dem Tod des früheren Firmenchefs Horst Brandstätter im Jahr 2015 bergab geht, lässt sich angesichts der Meldungen mehr als nur erahnen. Bei der Umsatzentwicklung kann man den Negativtrend anhand konkreter Zahlen ablesen. Im Rekordjahr 2018 kam die Unternehmensgruppe, zu der auch der Pflanzgefäß- und Gartenmöbelhersteller Lechuza gehört, auf 686 Millionen Euro Umsatz. 2023 waren es nur noch 467 Millionen Euro. Das entspricht einem Rückgang von knapp einem Drittel.
Im Herbst 2023 kündigte das Unternehmen den Abbau von 700 Stellen an. In vielen Kinderzimmern ist Playmobil indessen immer weniger gefragt. Das hat Experten zufolge mehrere Gründe: etwa zunehmende Konkurrenz durch digitale Spielsachen und Videospiele. Aber auch starke Wettbewerber wie Klemmbausteinhersteller Lego machen Playmobil zu schaffen. Außerdem setzt Playmobil vergleichsweise wenig auf Lizenzen. Spielzeug mit Charakteren und Figuren aus Filmen und Serien sind in Kinderzimmern allerdings gefragter als je zuvor, hieß es erst im Dezember auf der Pressekonferenz der deutschen Spielwarenindustrie.
Playmobil: Krise als Chance?
So fordernd die aktuelle Lage für den Playmobil-Hersteller auch sein mag: Die Krise als Chance zu begreifen, ist eigentlich in der DNA des Zirndorfer Unternehmens verwurzelt. So war die Ölkrise zu Beginn der 1970er Jahre gar der Geburtshelfer der Playmobil-Figuren. Damals stellt geobra Brandstätter noch größeres Plastikspielzeug her. Wegen der hohen Ölpreise kämpft der Zirndorfer Betrieb gar ums Überleben. In der Not beauftragt Firmenchef Horst Brandstätter damals seinen Mitarbeiter Hans Beck, ein kleinteiligeres Systemspielzeug zu entwickeln.
Im Februar 1974 wurden die bunten Kunststoff-Figuren auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorgestellt: der Startschuss einer Erfolgsgeschichte. Ob die aktuelle Krise wieder als Chance genutzt wird? Daran hat zumindest die bis 2022 mit zuständige Gewerkschaft IG Metall starke Zweifel. Die frühere Stärke, gemeinsam mit den Beschäftigten neue Dinge zu entwickeln, sei dem Unternehmen verloren gegangen.