Jakob F. fährt einen Mercedes CLA Baujahr 2015. Seinen genauen Namen und Wohnort möchte er lieber für sich behalten. Durch die Meldungen über den Todesfall in Frankreich aufgeschreckt, lässt er seinen Wagen beim örtlichen Händler untersuchen. Tatsächlich kommt dabei hinter dem Lenkrad ein Airbag von Takata zum Vorschein. Jakob hat ein mulmiges Gefühl: „Ich kannte nur die Berichterstattung über tödliche Airbags und dann habe ich plötzlich auch so einen im Auto, da macht man sich schon so seine Gedanken,“ meint der 20-Jährige.
Treibmittel als tödlicher Explosionsbeschleuniger
Rund 30 Todesfälle durch Takata-Airbags sind weltweit bekannt. Ursache ist das verwendete Treibmittel Ammonium-Nitrat. Es darf nicht feucht werden, sonst fällt die Explosion, die den Airbag entfaltet, unkontrolliert stark aus. Splitter vom Gasgenerator können dabei zum tödlichen Geschoss werden. So wie in Frankreich. Bisher traten alle Todesfälle in Regionen mit heiß-feuchtem Klima auf. Der jüngste Fall aber nicht.
Automobilwirtschaftsexperte Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach fordert deshalb ein Umdenken auch bei deutschen Herstellern: “Ich bin der Meinung, dass Behörden und Hersteller hier genau prüfen sollten, welche Gefahr noch besteht und dann im Zweifelsfall auch noch einmal große Rückrufaktionen durchführen müssen“, erklärt der Wissenschaftler im BR-Interview.
Nach mehreren großen Rückrufaktionen war Takata 2017 pleite und verschwand vom Markt. Takata-Airbags wurden von fast allen großen Herstellern weltweit verbaut. Unter anderem auch von Audi, VW, Mercedes und BMW. In vielen Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind, stecken noch Airbags von Takata. Wer wissen will, ob sein Fahrzeug von einem Rückruf betroffen ist, kann die sogenannte Fahrzeugidentifizierungsnummer auf den Internetseiten seines Herstellers oder des Kraftfahrtbundesamtes eingeben. Gibt es kein Ergebnis, steht auch kein Rückruf an.
Kein rechtlicher Anspruch auf Rückrufe
Damit haben Kunden wie Jakob ein Problem. Denn Citroën hat auch erst nach dem Todesfall Anfang Juni eine Rückrufaktion gestartet. Kunden anderer Marken können zwar bei ihrer örtlichen Werkstatt unverbindlich nachfragen, ob der Airbag ausgetauscht werden kann, andere Möglichkeiten bleiben aber nicht, erklärt Klaus Heimgärtner, Jurist beim ADAC: “Wenn ich wegen einer Rückrufaktion in Frankreich möchte, dass auch mein Fahrzeug von einem anderen Hersteller untersucht wird, muss ich das selbst bezahlen. Wenn der eigene Hersteller keinen Rückruf anordnet, muss ich das akzeptieren und habe keine rechtliche Handhabe dagegen“, erklärt der Verbraucheranwalt
Aktuell nur ein Rückruf bei deutschen Herstellern
Das Kraftfahrtbundesamt sieht derzeit keinen Anlass für weitere Rückrufe in Deutschland. BMW und Audi verweisen auf ihre bereits abgeschlossenen Rückrufaktionen. VW führt auf BR-Anfrage seine klimatische Risikoanalyse an. “In Deutschland kommt es durch den täglichen Temperaturwechsel zu keiner dauerhaften klimatischen Belastung, die eine beschleunigte Treibmittelalterung zur Folge hätte.“ Entsprechend seien für hier zugelassene und dauerhaft hier betriebene Fahrzeuge bislang keine sicherheitsrelevanten Auffälligkeiten festgestellt worden, so der Konzern weiter. Mercedes-Benz ruft aktuell nur Vans der Baujahre 2002 bis 2006 zurück.
Zum konkreten Fall von Jakob F. schreibt der Hersteller auf BR-Anfrage: “Das betroffene Fahrzeug ist ab Werk mit Airbag-Gasgeneratoren ausgestattet, die ein abweichendes Treibmittel und/oder zusätzliches Trocknungsmittel beinhalten.“ Das Fahrzeug sei somit nicht vom Rückruf betroffen. Der CLA von Jakob ist nach Herstellermeinung also sicher, aber Jakob überzeugt das trotzdem nicht vollständig. Er findet, es würde der deutschen Autoindustrie gut zu Gesicht stehen, alle Takata-Airbags auszutauschen, auch wenn das mit Kosten verbunden ist. Solange bei ihm das mulmige Gefühl noch vorhanden ist, lässt er seinen Wagen lieber stehen und fährt vorläufig mit dem Bus.