Kaum ein Thema in der Unternehmenswelt sorgt für so viel Debatten wie die Vorstandsvergütung – und das mit schöner Regelmäßigkeit. Während viele Beschäftigte in Zeiten von Inflation, steigenden Lebenshaltungskosten und wachsender Unsicherheit um jeden Euro kämpfen, eilen Deutschlands Topmanager von Vergütungsrekord zu Vergütungsrekord.
Das bestätigt auch der aktuelle Vorstandsvergütungsbericht, den die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gemeinsam mit der Technischen Universität München veröffentlicht hat (externer Link).
DAX-Vorstände verdienen im Schnitt 3,76 Millionen Euro
Die Studie zeigt: Die durchschnittliche Gesamtvergütung eines DAX-Vorstandsmitglieds lag im Geschäftsjahr 2024 bei 3,759 Millionen Euro – ein Anstieg um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die sogenannten Personalaufwendungen pro Mitarbeiter, also Gehälter inklusive Sozialabgaben und Zusatzleistungen, stiegen dagegen nur moderat. Die Folge: Die sogenannte Vertikalität, also das Verhältnis zwischen Vorstandsvergütung und durchschnittlichem Mitarbeiteraufwand, stieg von Faktor 40 auf 41.
„Erfolg sollte an Erhalt von Standorten geknüpft sein“
„Wenn es immer mehr Einkommensmillionäre gibt und gleichzeitig Armut trotz Arbeit ansteigt, muss man hinterfragen, ob das noch gerecht ist“, meint Horst Ott, Bezirksleiter der IG Metall Bayern. Problematisch sei, dass die Höhe der Vorstandsvergütungen an den Gewinnen ausgerichtet ist, nicht aber am Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen. Die Schere zwischen den Einkommen der Beschäftigten und den Vorständen in der Industrie würde sich schnell schließen, wenn deren Erfolg auch am Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen bemessen würde. „Ich habe kein Problem mit hohen Vorstandsgehältern“, so Ott, wenn die Vorstände erfolgreich heimische Arbeitsplätze sichern.
Reallöhne steigen um 1,2 Prozent – Vorstandsgehälter deutlich stärker
Während die Reallöhne in Deutschland 2024 um 1,2 Prozent gestiegen sind – unterstützt durch eine leicht gesunkene Inflationsrate von zuletzt 2,0 Prozent – legten die Vorstandseinkommen stärker zu. Besonders sticht die Deutsche Bank heraus: Ihre Vorstände kamen im Schnitt auf eine Vergütung von 7,095 Millionen Euro.
An der Spitze der Vergütungsskala steht Oliver Blume (Volkswagen) mit einer Gesamtvergütung von knapp 10,6 Millionen Euro. Dicht gefolgt von Bjørn Gulden (Adidas) mit rund 10,3 Millionen Euro und Christian Sewing (Deutsche Bank) mit rund 9,9 Millionen Euro.
Mehr Anreize für Mitarbeitende schaffen
Ein großer Teil der Vorstandsvergütung ist variabel ausgestaltet – 2024 entfielen 42,7 Prozent auf langfristige variable Komponenten, sogenannte „Long Term Incentives“. Die Fixvergütung machte nur noch rund 32 Prozent aus. Der Gedanke dahinter: Nachhaltige Leistungen sollen belohnt werden, nicht kurzfristiger Aktionismus. Horst Ott sieht diesen Mechanismus durchaus differenziert: „Da die Beschäftigten von ihrem Einkommen viele Kosten bezahlen, die nicht variabel sind – wie Miete, Auto, Lebensmittel, brauchen sie auch sichere und verlässliche Einkommen.“ Erfolgsbeteiligungen für die Beschäftigten, die sich am Unternehmensgewinn orientieren, wie es sie in einigen großen Unternehmen gibt und die diese zusätzlich zu allen tariflichen Zahlungen erhalten, begrüßt Ott. Was die IG Metall strikt ablehne, seien Erfolgsbeteiligungen anstelle von gesicherten tariflichen Zahlungen, fügt er hinzu.
Die Studienmacher selbst weisen darauf hin, dass die öffentliche Diskussion oft den hohen variablen Anteil in der Vorstandsvergütung vernachlässigt – und darin auch eine Möglichkeit sieht, soziale Schieflagen zu korrigieren. Variable Beteiligungsmodelle, die sich an Unternehmenszielen und Aktienkursen orientieren, könnten auch im unteren und mittleren Einkommensbereich Anreize schaffen.