Auf den ersten Blick deuten die Quartalszahlen von Siemens darauf hin, dass die Münchener sehr stabil durch unsichere Zeiten kommen. Konzernchef Roland Busch sprach bei einer telefonischen Pressekonferenz von soliden Ergebnissen in einem volatilen Markt. So stieg der Quartalsgewinn im Jahresvergleich leicht an, auf 2,2 Milliarden Euro.
Beim Blick aus Detail zeigt sich aber, dass die sprunghafte Zollpolitik der US-Regierung auch an Siemens nicht spurlos vorbeigeht. Zwar legten Sparten wie Intelligente Infrastruktur und die Schienentechnik massiv zu. Doch ausgerechnet im Kerngeschäft mit Digitalisierungs-Lösungen für die Industrie schrumpften wesentliche Kennzahlen, der operative Gewinn der Sparte brach um 43 Prozent ein.
Zollpolitik der USA verunsichert Industrieunternehmen
Die anhaltende Zoll-Debatte bedeutet für Siemens in der Praxis: Die Kundschaft sei verunsichert und halte sich mit Investitionen zurück, so das Management. Da helfe es auch wenig, wenn immer neue Abkommen und Zoll-Tarife angekündigt würden. Die Erfahrung der vergangenen Monate habe schließlich gezeigt, dass die Halbwertszeit solcher Erklärungen oft sehr begrenzt war.
Siemens-Finanzchef Ralf Thomas sagte, er gehe auch nicht davon aus, dass jetzt ein großer Knoten aufgehe und sich alles in Wohlgefallen auflöse. Zu den größten Kunden für Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen von Siemens gehören Autohersteller und deren Zulieferer, Chemieunternehmen und der Maschinenbau. Also just die Branchen, die seit Monaten besonders unter Konjunkturflaute und Zollstreit leiden.
Globale Aufstellung schützt Siemens
Siemens selbst und seine Produkte werden von den Zöllen übrigens kaum getroffen. Der Konzern ist global aufgestellt und produziert viele seiner Produkte vor Ort. Finanzvorstand Ralf Thomas sprach von einer „sehr guten Verteilung der Wertschöpfung“, die ein Polster gegen Zollkonflikte sei. In den USA zum Beispiel beschäftigt die Siemens AG 48.000 Mitarbeiter und betreibt 28 Fabriken.
Ohnehin sind die Vereinigten Staaten längst der größte Einzelmarkt für den Münchener Konzern, die starke Präsenz vor Ort war deshalb aus Sicht des Vorstands schon vor dem Zollstreit grundsätzlich sinnvoll. Im Vergleich zum Beispiel zu deutschen Autokonzernen hält sich deshalb auch der finanzielle Schaden durch neue Zölle im Rahmen. Thomas bezifferte die Kosten für Siemens im abgelaufenen Quartal auf 45 Millionen Euro. Rechne man die Beteiligung an Siemens Healthineers dazu, dann komme man auf rund 135 Millionen.
Gute Geschäfte mit Infrastruktur und Eisenbahn-Technik
Auch wenn sich Siemens – nicht zuletzt durch Zukäufe in den USA – mehr und mehr zu einem softwarelastigen Unternehmen entwickelt – sehr erfolgreich war das Unternehmen im abgelaufenen dritten Quartal seines Geschäftsjahres ausgerechnet im letzten großen Konzernbereich, in dem es noch um klassische Schwerindustrie geht: der Eisenbahn.
Dank milliardenschwerer Bestellungen vor allem aus Ägypten und den USA machte der Auftragseingang der Schienentechnik-Sparte Mobility einen Satz nach oben. Im Geschäft mit Zügen und sonstigen Technologien für die Schiene sieht Siemens auch für die Zukunft noch großes Potential. Zuletzt erweiterte der Konzern seine Lokomotivfabrik in München-Allach.
Bekenntnis zum Standort Deutschland – trotz Stellenabbaus
Roland Busch wiederholte bei der Vorlage der Quartalszahlen auch sein Bekenntnis zum Standort Deutschland. Die Erweiterung des Lokomotiv-Standorts Allach sei ein Beispiel dafür, dass man hierzulande mit moderner Technologie durchaus noch wettbewerbsfähig produzieren könne. Kürzlich hatte der Siemens-Chef zusammen mit anderen Konzernlenkern im Rahmen eines Besuchs bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine Investitionsoffensive der deutschen Industrie angekündigt.
Kritiker sahen in dem Termin allerdings eher eine PR-Veranstaltung, bei der viele bereits längst angekündigte Investitionen noch einmal neu zusammengerührt wurden. Zumal Siemens an anderer Stelle in Deutschland auch 2.850 Stellen kürzt, wie im März bekannt wurde. Allein in Bayern sind in der Sparte Digital Industries rund 1.500 Jobs betroffen, die meisten davon im Großraum Nürnberg.