Rund 3.500 Ärztinnen und Ärzte, die an Unikliniken beschäftigt sind, haben an einer Umfrage zu ihren Arbeitszeiten teilgenommen. Nur rund 17 Prozent der Teilnehmer gaben an, ihre Arbeitszeit werde elektronisch und damit auch ohne Möglichkeiten zur Manipulation erfasst. Bei den anderen 83 Prozent werde die Arbeitszeit nicht so dokumentiert, dass es manipulationssicher ist.
Zwei Drittel der Befragten leisten unbezahlte Überstunden
Als Manipulation wertet die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) es beispielsweise, wenn Klinikleitungen erwarten, dass die Beschäftigten Überstunden machen, diese aber nicht melden. Dann halten die Ärzte die tarifliche Wochenarbeitszeit zwar formal ein, in Wirklichkeit wird sie aber überschritten.
In der Umfrage gaben zwölf Prozent der Befragten an, pro Woche würden zehn Stunden oder mehr nicht entlohnt. Insgesamt 53 Prozent gaben an, dass zwischen einer und neun Überstunden pro Woche nicht erfasst werden. Insgesamt leisten also zwei Drittel der Befragten regelmäßig unbezahlte Überstunden.
Scharfe Kritik von Ärztegewerkschaft
Die MB-Vorsitzende Susanne Johna spricht von einem „Skandal“. Denn seit Januar 2025 sind die Unikliniken durch einen Tarifvertrag verpflichtet, eine manipulationssichere Dokumentation der Arbeitszeit zu ermöglichen.
In vielen Unikliniken herrsche auch eine unverständliche Zweiteilung zwischen ärztlichem Personal und anderen Mitarbeitenden. Dort gebe es zwar für Pflegekräfte eine sichere Zeiterfassung, etwa über Karten-Lesegeräte. Ärztinnen und Ärzte würden hingegen an ihren Arbeitsplatz gehen, ohne ihre Mitarbeiterkarte ans Lesegerät zu halten.
Uni-Kliniken hinken hinterher
Christian Twardy von der Geschäftsführung des Marburger Bundes erklärte, bei anderen Trägern als den Unikliniken sei die Situation besser. Dort gebe es zwar keine so genauen Umfrage-Ergebnisse wie sie jetzt bei Beschäftigten an Unikliniken erhoben wurden. Aber aus anderen Befragungen der vergangenen Jahre sei deutlich geworden: Vor allem kommunale Krankenhäuser seien den Unikliniken beim Thema arbeitnehmerfreundliche Zeiterfassung voraus.
Warnung vor Überlastung
Die Ärztegewerkschaft warnt davor, dass zu lange Arbeitszeiten, die nicht dokumentiert werden, auf die Motivation und auf die Gesundheit der Beschäftigten durchschlagen. So gaben in der Umfrage 51 Prozent der Befragten an, die Mängel bei der Arbeitszeiterfassung führten zu größerer Erschöpfung und Burnout-Gefahr. 57 Prozent erklärten, sie würden weniger motiviert arbeiten, weil sie Überstunden nicht dokumentieren können.
Gespaltenes Bild in Bayern
Das ärztliche Personal an bayerischen Unikliniken steht dabei im Schnitt deutlich besser da als in Gesamtdeutschland. In Bayern gab immerhin ein Drittel der Befragten an, die Arbeitszeiterfassung erfolge elektronisch und manipulationssicher, das ist doppelt so viel wie im Bundesschnitt.
Hinter diesen Zahlen stehe aber eine zweigeteilte Uniklinik-Landschaft, berichtet der bayerische Landesvorsitzende des Marburger Bundes, Andreas Botzlar. In Erlangen, Augsburg und Regensburg gab eine ganz überwiegende Mehrheit von jeweils deutlich mehr als 80 Prozent der Befragten an, die Zeiterfassung sei in Ordnung, Spitzenreiter ist dabei Erlangen mit 91 Prozent.
An den beiden Münchner Unikliniken der LMU und TU sowie in Würzburg war Entsprechendes von deutlich weniger als einem Zehntel der Befragten zu hören. Schlusslicht ist die Ludwig-Maximilians-Universität mit zwei Prozent aller Ärztinnen und Ärzte, die von einer manipulationssicheren Arbeitszeiterfassung berichteten.
Wissenschaftsministerium sieht Umstellungsphase
Das bayerische Wissenschaftsministerium, das für die Universitäten zuständig ist, erklärt, an vielen Unikliniken in Bayern werde die Arbeitszeit bereits elektronisch erfasst, oder es werde gerade auf eine solche Erfassung umgestellt. Bis es eine flächendeckende Zeiterfassung gebe, kämen „vereinzelt Übergangslösungen zur Anwendung, die einer transparenten und vollständigen Arbeitszeitdokumentation verpflichtet sind“, erklärte das Ministerium gegenüber dem BR.