Behandlung nicht ohne Risiko
Wie eben bei der jungen Igeldame, die zurzeit in der Station behandelt wird, zusammen mit drei anderen Tieren. Wie lange sie bleiben muss, kann Sibille Zillinger nicht sagen. Sie sei gerade mitten in der Entwurmung: „Das ist immer sehr heikel, wenn der Allgemeinzustand von Haus aus schon so schlecht ist, weil ja diese ganzen durchs Wurmmittel abgestorbenen Larven oder Eier den Organismus noch zusätzlich belasten. Aber es bleibt oft keine andere Möglichkeit, weil behandelt man nicht, bricht irgendwann alles zusammen.“
„Aufgeräumte Gärten“ mit wenig Nahrung
Geholfen wäre den Tieren vor allem, wenn sie mehr natürliche Nahrung fänden. Vor allem solche, die sie gut vertragen. Genau da liegt aber das Problem. In den Städten finden sie zwar Gärten, aber eben nicht genug Futter und oft nicht das richtige. Passend wären vor allem Insekten: Laufkäfer, auch im Larvenstadium, also Engerlinge. Die sind eine Leibspeise der Igel und versorgen sie mit Protein. Wo die Gärten aber aufgeräumt sind, Rasen und Büsche akkurat gestutzt, wo kein Laub liegen bleiben darf, erst recht kein Totholz oder gar Kompost – da kommen auch keine Käfer vor.
Mehr „Unordnung“ zulassen
Mehr „Unordnung“ in den Gärten würde helfen: Den Insekten und den Tieren, die von ihnen leben, sowohl den Vögeln als auch den Igeln. Die Unordnung biete daneben auch den Schutz und Rückzugsraum, den der Igel so dringend braucht – sagt Angelika Nelson, Igel-Expertin beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV): „Im eigenen Garten kann man ihm ganz einfach eine wilde Ecke einrichten, wo halt einfach Brennnesseln wachsen und wo auch Stauden stehenbleiben über den Winter, wo er sich verstecken kann, wo man auch das Laub liegen lässt, damit er da im Winter einen guten Platz für den Winterschlaf findet, einen geschützten.“ Wer wolle, könne zusätzlich auch noch ein Igelhaus aufstellen, sagt Angelika Nelson, das dem Igel vielleicht auch als Kinderstube dienen könne.
Wilde Paradiese voller Leben
Wie schön ein solcher Garten sein kann, beweist der von Heidi Bosch in Neumarkt-Sankt Veit im Landkreis Mühldorf. Gute hundert Meter nördlich des Stadtplatzes, jenseits einer viel befahrenen Straße, haben sie und ihr Mann Robert vor mehr als zwanzig Jahren eine an ihr Haus angrenzende Wiese gekauft und erst einmal abgemagert: Keine Düngung, keine Bewässerung, es wurde nur noch selten gemäht und die Mahd entfernt. So wurde die Wiese nährstoffärmer, die Artenvielfalt stieg. Blumen, Gräser und Kräuter siedelten sich an. Die 2.000 Quadratmeter sind heute zu einem kleinen Paradies geworden, voller Leben und dank vieler Bäume und Sträucher auch an heißen Tagen angenehm kühl.
Unterschlupf und Schutz für Igel
Mitten im Garten steht in der Wiese die hölzerne, leicht verwitterte Kanzel eines alten Hochsitzes. Die diente früher den Kindern als Versteck. Heute bietet sie Tieren einen Unterschlupf. Im kühlen Schatten einer großen Trauerweide liegt ein alter Totholzhaufen, den Heidi und Robert Bosch regelmäßig mit neuen Ästen und mit Laub „füttern“, wie sie sagen. In ihm hat auch schon ein Igel überwintert. Aber der Totholzhaufen bietet nicht nur Igeln Wohnraum, sondern auch Käfern, Ameisen und anderen Insekten. Ebenso wie die drei großen Komposthaufen im hinteren Bereich des Gartens.
Reichlich gute Nahrung
Da könnten die Igel am Randbereich gut Insekten finden, sagt Heidi Bosch. Das Wichtigste sei bei den Igeln, dass sie einen gesicherten Unterschlupf und Nahrung haben, vor allem Käfer. „Wenn man Käfer möchte, braucht man einen naturnahen Garten. Nur dann sind Käfer da.“ Für den Landesbund für Vogel- und Naturschutz bewertet Heidi Bosch regelmäßig auch andere Gärten – auf Bitten der Besitzer, die wissen wollen, wie insektenfreundlich und damit auch vogel- und igelfreundlich ihre Gärten sind. Und die sich durch die Auszeichnung durch den LBV auch etwas Unterstützung erhoffen.
Probleme mit den Nachbarn
„Der Grund für die Bewertung oder dass sie sich da angemeldet haben“, sagt Heidi Bosch, „war bei manchen, dass sie Probleme mit den Nachbarn haben, weil es bei ihnen unordentlich ausschaut, weil da halt ein paar Brennnesseln stehen oder weil nicht jede Woche gemäht wird, weil das Gras halt ein bisserl höher steht oder die Sträucher stark wachsen.“ Wenn die dann vom LBV ausgezeichnet würden als „vogelfreundlicher Garten“ mit einer deutlich sichtbaren Plakette am Zaun, sagt sie, könne das schon zu etwas mehr Akzeptanz beitragen.
Durchgänge schaffen, Gärten „vernetzen“
Eine ähnliche Auszeichnung bietet Gartenbesitzern auch die Deutsche Wildtierstiftung, wenn sie igelfreundliche Durchlässe schaffen. Dahinter, erklärt Jenifer Calvi, steht der Wunsch, möglichst viele Gärten für die Tiere „barrierefrei“ zu gestalten: „Der Weg in naturnahe Gärten wird für den Igel zum Hindernislauf, wenn Zäune bis zum Boden reichen und Mauern keine Lücken zum Durchschlüpfen haben.“ Ausgebremst durch Zaun und Mauer, suche sich das Tier dann andere Wege. Dabei gerate es schnell in Gefahr: „Ein hungriger Igel quetscht sich beispielsweise flach unter einem Drahtzaun hindurch und kann sich dabei verletzen. Oder er will auf der Suche nach Futter einen anderen Garten ansteuern, überquert dabei eine Straße und wird überfahren.“