Der Himmel über der Oberpfalz ist grau, die Wolken sind schwer. Am Fuß des Monte Kaolino in Hirschau stehen rund 70 Menschen bereit. Gemeinsam wollen sie ein zwei Meter hohes Kreuz aus rostigem Stahl auf den Gipfel tragen. Pfarrer Michael Fischer von der Evangelischen Gemeinde Ammersricht-Hirschau erklärt über ein Megafon: „Wir haben uns gedacht: Es ist unser Berg, und unser Gipfelkreuz. Also bringen wir es heute auch gemeinsam hoch.“
Sandberg zum Wahrzeichen der Region geworden
Der Monte Kaolino ist streng genommen kein echter Berg, sondern eine Halde aus 35 Millionen Tonnen Quarzsand – ein Nebenprodukt der Kaolinindustrie. Doch längst ist der Sandberg zu einem Wahrzeichen der Region geworden. Man kann dort Sommerrodeln, Sand-Skifahren oder im Dünenbad entspannen.
Und inzwischen wird der Berg auch von den Kirchen genutzt: Seit drei Jahren findet der Pfingstgottesdienst nicht mehr in der Kirche, sondern unter freiem Himmel statt. „Die sind tatsächlich ein riesen Renner geworden“, sagt Pfarrer Fischer. Daher muss das Kreuz auch unbedingt noch an diesem Freitag – zwei Tage vor Pfingsten – auf den Gipfel.
Gipfelkreuz für den Monte Kaolino in nur drei Monaten
Denn: Bislang fehlte ein fester Ort für liturgische Feiern – ein Altar, ein Kreuz. Der Wunsch nach einem sichtbaren Zeichen führte zu einem ungewöhnlichen Kunstprojekt. In nur drei Monaten wurde das Gipfelkreuz für den Monte Kaolino realisiert. Gefertigt hat es das Künstlerehepaar Hanna Regina Uber und Robert Diehm aus Aschach.
Gold und Rostoptik, so Uber, stünden für „die Vergänglichkeit und die Mühsal“ des Lebens ebenso wie für „Licht, Freude, Ewigkeit und Hoffnung“. Damit das Material schneller rostet, habe man, so Diehm, mit Chemikalien nachgeholfen – denn normalerweise dauert der Prozess mehrere Jahre.
Vereine aus der Region tragen Kreuz auf Gipfel
Der Aufstieg mit dem rund 50 Kilogramm schweren Kreuz erfolgt etappenweise. Vereine aus der Region – darunter der Musikzug Hirschau – tragen es abschnittweise den Wanderweg hinauf. „Sich erst einmal zu koordinieren“, sei nicht so einfach, sagt Musiker Maximilian Stein, während er das schwankende Gewicht mit seinen Kollegen austariert. Doch schon bald hat sich ein Rhythmus eingespielt.
Am Gipfel angekommen, wird das Kreuz zügig aufgerichtet. „Jetzt passt es! Das Kreuz steht!“, ruft Pfarrer Fischer erleichtert.
Kritiker bemängeln religiöse Zeichen im öffentlichen Raum
Gipfelkreuze sind in vielen Regionen ein vertrautes Bild – rund 4.000 stehen allein auf Alpengipfeln. Oft sind sie Ausdruck christlichen Glaubens, zugleich aber auch Symbole der Verbundenheit mit einem Ort oder der Natur.
Kritiker bemängeln jedoch, dass religiöse Zeichen im öffentlichen Raum nicht mehr zeitgemäß seien. In der Schweiz etwa gab es Protestaktionen gegen Gipfelkreuze, sogar gezielte Demontagen. Der bekannte Bergsteiger Reinhold Messner plädiert daher dafür, bestehende Kreuze als „Stück Kulturgeschichte“ zu bewahren, warnt aber zugleich davor, die Berge zu religiös zu „möblieren“.
„Jeder Gipfel hat sein Kreuz – warum nicht auch unser Monte?“
Am Monte Kaolino ist von solchen Kontroversen nichts zu spüren. Hier haben viele Menschen aus unterschiedlichen Gruppen zusammengearbeitet, um ihrem Berg ein gemeinsames Zeichen zu geben. „Für mich war es wichtig, weil ich früher Ministrant war und der Kirche sehr verbunden bin“, sagt einer der Beteiligten. „Und jeder Gipfel hat sein Kreuz – warum nicht auch unser Monte?“
Als dann am Sonntag der Pfingstgottesdienst gefeiert wird, steht das Kreuz schon bereit – fest verankert und glänzend im goldenen Licht. Und mit ihm ist auch der Monte Kaolino ein kleines Stück gewachsen: um zwei Meter – und um ein starkes Symbol des Miteinanders.