Noch vor der Sommerpause will die Bundesregierung mit einem „Investitionsbooster“ die lahmende Wirtschaft ankurbeln. Mit dieser Zielsetzung können sich auch Länder und Kommunen identifizieren, der „Booster“ sorgt bei ihnen aber dennoch für Alarmstimmung: Diese und andere geplante Maßnahmen laufen für sie nämlich auf milliardenschwere Steuerausfälle hinaus. Dafür fordern sie einen Ausgleich. Vor dem Treffen der Länderchefs mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch ist jedoch noch keine Lösung in Sicht.
Bundesregierung plant Steuer-Erleichterungen für Unternehmen
Die Regierungsfraktionen Union und SPD haben auf Vorschlag der Bundesregierung Anfang Juni einen Gesetzentwurf „für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ in den Bundestag eingebracht. Ein Kernpunkt ist der zeitlich begrenzte „Investitionsbooster“ für Unternehmensinvestitionen. In den Jahren 2025 bis 2027 können Firmen demnach bewegliche Wirtschaftsgüter mit bis zu 30 Prozent von der Steuer absetzen.
Danach soll ab 2028 schrittweise die Körperschaftssteuer von derzeit 15 auf zehn Prozent gesenkt werden. Sie soll bis 2032 um jährlich einen Prozentpunkt verringert werden. Hinzu kommen noch eine erweiterte steuerliche Begünstigung von Elektro-Dienstwagen sowie die Erhöhung der steuerlichen Forschungsförderung.
Kommunen sehen ihre Investitionskraft in Gefahr
Dem Gesetzentwurf zufolge ergeben sich daraus zwischen 2025 und 2029 für Bund, Länder und Gemeinden Steuerausfälle von mehr als 48 Milliarden Euro. Den überwiegenden Teil davon, nämlich rund 30 Milliarden Euro, müssten Länder und Kommunen tragen, die Kommunen alleine 13,5 Milliarden.
Länder und Kommunen betonten zwar, dass sie die Pläne zur Wirtschaftsförderung im Prinzip begrüßen. Sie warnten aber davor, dass sie „eine andauernde Beeinträchtigung bei der Finanzierung der notwendigen Aufgaben von Ländern und Kommunen“ bewirkten. Es drohten „Einschränkungen bei der kommunalen Daseinsvorsorge“, öffentliche Investitionen würden erschwert. Der Bundesrat verlangte deshalb „eine Verständigung über einen Ausgleich dieser Mindereinnahmen“.
Länder und Gemeinden fordern eine Kompensation
Im Koalitionsvertrag sind noch weitere Maßnahmen geplant, die gleichfalls Auswirkungen auf die Finanzen von Ländern und Kommunen haben würden. Dazu gehören die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die höhere Pendlerpauschale und die Wiedereinführung der vollen Agrardiesel-Rückvergütung. Sie sollen ab 1. Januar 2026 greifen.
Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) verlangte, dass solche Beschlüsse des Bundes künftig automatisch durch den Bund kompensiert werden. Dafür wolle man rasch „konkrete Vorschläge“ sehen, sagte er der „Rheinischen Post“ (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt). Ähnlich äußerten sich die Länder. Der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ müsse bei allen Gesetzesvorhaben „konsequent angewendet“ werden.
Legen die Länder den „Wachstumsbooster“ auf Eis?
Vom Treffen mit Merz wird noch kein Durchbruch erwartet. Die Positionen liegen zu weit auseinander. Während von Länderseite vielfach eine höhere Beteiligung an der Umsatzsteuer verlangt wird, denkt der Bund eher daran, den Kommunen nur befristet und in bestimmten Bereichen zu helfen – etwa bei Klimawandel-Folgen. Diskutiert wird auch über eine stärkere Beteiligung des Bundes an Unterkunfts-Kosten für Bezieher von Grundsicherung.
Die Bundesregierung drückt allerdings aufs Tempo, weil sie das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft setzen möchte. Zieldatum ist die Bundesratssitzung am 11. Juli, wo das Vorhaben verabschiedet werden soll. Gibt es bis dahin keine Einigung, könnte die Länderkammer den Vermittlungsausschuss anrufen. Dann läge der „Wachstumsbooster“ vorerst auf Eis.
Verdi-Chef Werneke fordert Milliardenausgleich für Kommunen
Unterstützung bekommen die Kommunen von der Gewerkschaft Verdi: Steuerentlastungen ohne Ausgleich könnten zu einem „Risiko für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den demokratischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft“ werden, schrieb Verdi-Chef Frank Werneke an die Ministerpräsidenten. Die Länder sollten nur zustimmen, „wenn es einen umfassenden finanziellen Ausgleich“ gibt.
Die Handlungsfähigkeit der Kommunen werde durch die Regierungs-Pläne „endgültig“ infrage gestellt. Wichtige Ausgaben drohten weiter eingeschränkt zu werden, etwa für soziales Wohnen, Kultur, Gesundheit, Sport, Kitas und Schulen. Der hohe Investitionsstau bei der Infrastrukur würde „im Status Quo verharren“.
Mit Informationen von AFP und dpa