Ob klassische Kraftwerkstechnik, Wartungsdienstleistungen oder Technologien für Stromnetze – der globale Energiehunger sorgt bei Siemens Energy für volle Auftragsbücher. Mit 16,6 Milliarden Euro verzeichnete das Unternehmen im abgelaufenen Quartal den höchsten Auftragseingang seiner Geschichte. Inzwischen liegt der Auftragsbestand bei 136 Milliarden Euro, ebenfalls ein Rekord.
Unter dem Strich erwirtschaftete Siemens Energy im abgelaufenen Quartal einen Gewinn von knapp 700 Millionen Euro. Vor Jahresfrist hatte das Unternehmen noch einen Verlust melden müssen. Vorstandschef Christian Bruch sprach bei der Vorstellung der Zahlen von einem starken Quartal und kündigte an, man werde im Gesamtjahr das obere Ende der Prognosen erreichen. Für hohe Renditen sorgen vor allem das Geschäft mit Gaskraftwerken und die Netztechnik.
Vom Sorgenkind zum Börsenstar
Bei der Sparte Siemens Gamesa geht unterdessen die Sanierung weiter. Vor knapp zwei Jahren wurden beim Windkraftspezialisten erhebliche Qualitätsprobleme bekannt. Damals schien vielen Beobachtern die Zukunft des Gesamtkonzerns Siemens Energy gefährdet. Banken scheuten sich zeitweise, Geld für die Absicherung von Großaufträgen zur Verfügung zu stellen. Schließlich sprang der Bund mit einer milliardenschweren Bürgschaft ein.
Dank der guten Geschäftsentwicklung hat sich die Lage fundamental gedreht, auch wenn Siemens Gamesa nach wie vor Verluste schreibt. Der Windkraftspezialist fährt zum einen die Produktion von Anlagen auf dem Meer hoch, was erhebliche Investitionen bedeutet. Zum anderen muss die Sparte im Onshore-Geschäft viel Geld ausgeben, um die Qualitätsprobleme der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Vom Finanzmarkt gab es in den vergangenen Monaten einen deutlichen Vertrauensvorschuss – davon ausgehend, dass die Sanierung des Windkraftgeschäftes gelingen wird. Der Aktienwert von Siemens Energy hat sich seit dem Jahresbeginn ungefähr verdoppelt, nachdem sich der Wert des Papiers schon im Vorjahr mehr als vervierfacht hatte. Die staatliche Bürgschaft hat der Konzern inzwischen abgelöst. Das Unternehmen hat heute kein Problem mehr, Geld von Banken zu bekommen.
USA-Geschäft gut, Warten auf deutsche Aufträge
Besonders viele Aufträge konnte Siemens Energy zuletzt in den USA an Land holen. Dort hat sich der Auftragseingang im Jahresvergleich nahezu verdreifacht. Überhaupt sind die Vereinigten Staaten für den Konzern längst der wichtigste Einzelmarkt. Der Umsatz dort war im abgelaufenen Quartal mit mehr als 2,4 Milliarden Euro fast dreimal so hoch wie auf dem Heimatmarkt Deutschland. Siemens Energy betreibt in den USA acht Werke und beschäftigt dort rund 12.000 Menschen. Die Auswirkungen der US-Zollpolitik sind deswegen vergleichsweise überschaubar.
Hierzulande wartet das Unternehmen auf Entscheidungen zur künftigen Kraftwerksstrategie. Zwar hat die Bundesregierung angekündigt, man brauche unter anderem neue Gaskraftwerke, um in Zukunft eine sichere Energieversorgung neben den schwankungsanfälligen Wind- und Solarparks zu gewährleisten. Konkrete Aufträge lassen aber auf sich warten.
Comeback der Atomkraft erwartet – wenn auch nicht in Deutschland
Für die Zukunft erwartet man bei Siemens Energy wegen der weltweit ständig wachsenden Nachfrage nach Strom auch ein Comeback der Atomkraft. Unter anderem haben High-Tech-Konzerne aus den USA erklärt, sie bräuchten riesige Mengen an Energie, um den erwarteten sprunghaften Ausbau von KI-Rechenzentren stemmen zu können.
Zuletzt hatten Großbritannien und die Vereinigten Staaten eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung von neuen Atomanlagen angekündigt. Dabei geht es um sogenannte Small Modular Reactors (SMR). Sie haben eine deutlich geringere Leistung als bisherige Kernkraftwerke. Außerdem sollen sie in einem standardisierten Baukastensystem errichtet werden, was Kosten und Zeit sparen soll.
Siemens Energy will für solche SMR-Anlagen Komponenten für die sogenannte konventionelle Insel liefern. Das ist der nicht nukleare Teil des Kraftwerks, in dem Turbinen Dampf in elektrische Energie umwandeln. Allerdings dürfte es noch einige Jahre dauern, bis tatsächlich solche Anlagen verfügbar sind. Für den Konzern wäre das vor allem ein Geschäft auf Auslandsmärkten wie den USA. In Deutschland gibt es derzeit keine konkreten Pläne, den Atomausstieg rückgängig zu machen.