Verarbeitung von Krieg und Holocaust
Die Ausstellung konzentriere sich auf die frühen Werke von Boris Lurie, so Thomas Heyden, auf Werke aus der zweiten Hälfte der 40er und der ersten Hälfte der 50er-Jahre. „Das ist die Zeit, in der er seine schrecklichen Erfahrungen im Krieg, im Holocaust verarbeitet und versucht zu bewältigen. Das sind Bilder, die einen sehr berühren. Bilder, die deutlich machen, wie sehr hier ein Mensch um Bewältigung der schrecklichen Dinge ringt, die er und seine Familie erfahren mussten. Er hat einen Großteil seiner Familie im Holocaust verloren.“
Testimony (Zeugnis) heißt die Ausstellung im Neuen Museum anlässlich des 100. Geburtstages des einzigartigen Künstlers und Mitbegründers der No!art-Bewegung. Das Neue Museum hat dafür mit der New Yorker Boris Lurie Stiftung zusammengearbeitet, die dessen Werke zunehmend in einen Kontext mit zeitgenössischer Kunst stellen will. Dabei sind in der Nürnberger Ausstellung keine Kriegsszenarien zu sehen, keine Panzer oder Waffen, vielmehr abstrakt-expressionistische Werke, Installationen und Andeutungen.
„Das ist keine rein politisch-gesellschaftlich-historisch argumentierende Ausstellung, sondern eine, die sich auch ästhetischen Fragen widmet“, so Thomas Heyden, „zum Beispiel der Frage: Kann man über Unrecht und über Gewalt und über Usurpation auch in abstrakten Formen sprechen? Oder braucht man dafür die figurative, die gegenständliche Kunst?“
Kunst als Warnung
Kuratorin Paulina Olszewska will erreichen, dass man erst auf den zweiten Blick sieht, welches Werk von Boris Lurie stammt und welches aus der Gegenwart. „Es sind die gleichen Probleme, mit denen wir jetzt in Europa kämpfen müssen“, sagt Olszewska. „Sein ganzes Leben lang hat er versucht, die Botschaft zu kommunizieren, dass das Schlimmste, was passierte, also der Zweite Weltkrieg, schon passiert sei, und wir als Menschen alles tun müssen, damit die Geschichte sich nicht wiederholt.“
Die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart: In der Ausstellung „Testimony“ gelingt das mit den Werken des vor 16 Jahren verstorbenen Boris Lurie und denen der zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler aus Osteuropa eindrucksvoll. Denn die befinden sich im Alarmzustand. Ein Alarm, der bis zum 17. November im Neuen Museum Nürnberg in den Werken zu hören und zu sehen ist.