Die Bundesregierung bricht ihr Versprechen, die Stromsteuer für alle zu senken. Eigentlich war im Koalitionsvertrag beschlossen worden, die Abgabe von aktuell 2,05 Cent pro Kilowattstunde auf den von der EU geforderten Mindestwert von 0,1 Cent pro Kilowattstunde zu verringern, um Unternehmen und Verbraucher zu entlasten.
Das ist im neuen Haushaltsentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil für 2025 und 2026 nun nicht mehr vorgesehen. Nur Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft sollen zunächst entlastet werden. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche begründete das mit finanziellen Engpässen. Die bayerische Wirtschaft zeigt sich enttäuscht.
Scharfe Worte vom bayerischen Einzelhandel
„Erst werden große Versprechungen gemacht und dann ist nichts dahinter“, wettert der Sprecher des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann im Gespräch mit BR24. Die Koalition verspiele das Vertrauen des Handels und reiße den Unternehmen den Boden unter den Füßen weg. Es dürften nicht nur ausgewählte Branchen profitieren, so Ohlmann. Man hoffe sehr auf Nachbesserungen, denn die Enttäuschung bei den Händlern sei groß. Zumal auch die Verbraucher und Verbraucherinnen leer ausgingen. Das sei schlecht für den Konsum und damit für den Einzelhandel.
Enttäuschung beim bayerischen Handwerk
Man habe sich auf das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag verlassen, so Franz-Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages. Gerade Bäckereien, KFZ-Betriebe, Metallhandwerker, Friseure oder Textilreinigungen seien sehr energieintensiv. Sie hätten daher sehr unter den hohen Strompreisen in Deutschland zu leiden, sagt Peteranderl bei BR24. Es sei nicht akzeptabel, von der Senkung der Stromsteuer nur einige wenige profitieren zu lassen. Einseitige Privilegien verzerrten den Wettbewerb und seien nicht hinnehmbar. Die Bundesregierung müsse Wort halten und sicherstellen, dass alle Handwerksberufe bei der versprochenen Strompreiskompensation berücksichtigt werden, fordert der bayerische Handwerkspräsident.
Viel Kritik auch von der IHK
Gerade in Zeiten globaler Unsicherheiten sei für die Unternehmen in Bayern Verlässlichkeit das A und O, sagt auch Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Daran messe man die neue Bundesregierung. Nicht nur Großunternehmen im produzierenden Gewerbe, wie die Chemie- oder Glasindustrie leiden seit Jahren unter den hohen Energiekosten, sondern auch kleine und mittlere Betriebe aus anderen Branchen. Die dürften nicht von der Politik vergessen werden. Daher fordert die IHK eine Entlastung bei der Stromsteuer für alle.
Auch Verbraucherinnen und Verbraucher gehen leer aus
Auch für Verbraucherinnen und Verbraucher bleibt eine spürbare Entlastung bei der Stromsteuer aus. Immerhin sollen für sie ab Anfang nächsten Jahres, dennoch die Energiepreise durch niedrigere Gasspeicherumlagen und sinkende Netzentgelte, sinken. Das kündigte Bundesfinanzminister Klingbeil gestern an. Das solle die Kaufkraft der Bürger erhöhen. Und das ist auch bitter nötig.
Wie aktuelle Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, liegen die Tariflöhne in Deutschland nach Abzug der Inflation derzeit noch niedriger als im Corona-Jahr 2020. In Deutschland beträgt der Reallohnverlust über diesen Zeitraum 4,7 Prozent. Da hätte die geplante Senkung der Stromsteuer einen Ausgleich schaffen und den jahrelangen Kaufkraftverlust noch etwas mehr kompensieren können.
Und was hätte man gespart?
Durch die Senkung der Stromsteuer von aktuell 2,05 Cent pro Kilowattstunde auf das EU-Mindestmaß von 0,1 Cent pro kWh, hätte sie sich um 1,95 Cent pro kWh verringert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat ein allein lebender Single, einen jährlichen Verbrauch von rund 2.100 kWh. Die Person hätte also jährlich rund 41 Euro gespart. Bei einem Paar mit einem Verbrauch von 3.500 kWh hätte die Ersparnis rund 68 Euro betragen. Und bei einer vierköpfigen Familie mit einem Verbrauch von 5.500 kWh wären es rund 107 Euro gewesen.