Wenn die Munich Re ihren jährlichen Naturkatastrophenbericht veröffentlicht, äußert sich der Rückversicherer für gewöhnlich eher zurückhaltend. Doch für 2024 haben auch die Münchner Forscherinnen und Forscher drastische Worte gewählt – der Bericht ist dieses Mal mit: „Der Klimawandel zeigt Krallen“ überschrieben.
Die Welt werde heißer, das bringe schwere Gewitter, starke Wirbelstürme und Überschwemmungen mit sich. 2024 löst demnach das bisher heißeste Jahr 2023 ab, die Temperaturen lagen im globalen Schnitt um 1,5 °C über denen der vorindustriellen Zeit.
Je stärker die Naturkatastrophe, desto teurer wird auch die Versicherung
Die Munich Re dokumentiert seit Jahrzehnten die Naturkatastrophen rund um den Globus. Der Konzern hat dafür eine eigene Abteilung mit dutzenden Forscherinnen und Forschern aufgebaut. Diese sind in allen relevanten Fachgebieten wie Meteorologie, Geophysik, Hydrologie oder Informatik spezialisiert. Ihr jährlicher Bericht wird auch in Fachkreisen beachtet.
Der Konzern investiert in die Forschung, weil immer extremeres Wetter dazu führen kann, dass Menschen sich Versicherungen gegen mögliche Schäden gar nicht mehr leisten können. In manchen Regionen der Welt wie Florida ist das sogar heute schon der Fall.
Bayern: Schäden durch Hochwasser im Juni 2024
Insgesamt 320 Milliarden US-Dollar an Schäden hat der Rückversicherer für das vergangene Jahr registriert. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahren lag bei 236 Milliarden Dollar. Vieles davon ist nicht durch Versicherungen abgedeckt, dennoch belief sich die versicherte Summe auf 140 Milliarden Dollar – das drittteuerste Jahr überhaupt für die Branche.
Für Deutschland und die angrenzenden Länder beziffert der Versicherer den Schaden auf insgesamt neun Milliarden Dollar. Viele werden die schweren Überschwemmungen in Bayern und den Nachbarländern von Anfang Juni noch im Gedächtnis haben: Nach starken Regenfällen stiegen die Pegel der Flüsse immer weiter, Dämme brachen und ganze Orte wurden überschwemmt. Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entstanden hierbei in Bayern und Baden-Württemberg rund zwei Milliarden Euro an versicherten Schäden.
Studien: Naturkatastrophen werden durch Klimawandel stärker
„Der Klimawandel ist nicht mehr nur etwas Abstraktes, er ist hier und heute“, bilanziert Tobias Grimm, Chef-Klimatologe der Munich Re. Zur Begründung führt er sogenannte „Attributionsstudien“ an: Dabei werden mithilfe von Wetter- und Klimamodellen einzelne Naturkatastrophen simuliert und verglichen, wie diese in einer hypothetischen Welt ohne Klimawandel abgelaufen wären. „Hier sieht man ganz klar die Veränderung“, sagt Grimm.
Bei Hurrikan Helene beispielsweise, der im September den Südosten der USA traf, sei die Regenmenge um zehn Prozent größer gewesen. Denn aufgrund wärmerer Ozeane verdunste auch mehr Wasser. Die Folge: „Die Energie entlädt sich in stärkeren Regenfällen.“
60 Prozent aller Schäden in Nordamerika
Helene war nach Angaben des Klimaforschers neben Hurrikan Milton im Oktober die gravierendste Wetterkatastrophe. Auch deshalb entfielen auf Nordamerika mit 190 Milliarden Dollar rund 60 Prozent aller Schäden.
Europa kam im selben Zeitraum auf 31 Milliarden Dollar, was knapp zehn Prozent entspricht. Hier traf es vor allem Spanien rund um Valencia. Bei extremen Überschwemmungen wurden viele Häuser zerstört und Autos mitgerissen. Mindestens 200 Menschen kamen dabei ums Leben.
Weltweit starben im vergangenen Jahr rund 11.000 Menschen aufgrund von Naturkatastrophen, was deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre von 17.500 lag.
Munich Re: Mehr Prävention gegen Naturkatastrophen nötig
Aus all diesen Zahlen folgt ein Appell der Munich Re: „Die Gesellschaften müssen sich für stärkere Wetterkatastrophen wappnen„, sagt Thomas Blunck, Vorstandsmitglied des Rückversicherers. Die Menschen müssten ein besseres Risikobewusstsein entwickeln, wo es gefährlich ist, zu bauen und zu leben. Dies sei auch Aufgabe der Politik. Denn, so ergänzt Chef-Klimatologe Grimm: „Wir müssen damit rechnen, dass die Schäden weiter zunehmen werden.“