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WirtschaftsRundschau > Nachrichten > Kultur > Erntedank in Bayern: Fülle, Hunger und Verschwendung
Kultur

Erntedank in Bayern: Fülle, Hunger und Verschwendung

Uta Schröder
Zuletzt aktualisert 2. Oktober 2025 14:48
Von Uta Schröder
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5 min. Lesezeit
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Körbe voller Brot und Obst in den Kirchen – Container voller weggeworfener Lebensmittel hinter den Supermärkten. Beide Bilder stehen für Überfluss und doch könnte der Kontrast kaum größer sein. Während die Kirchen in diesen Tagen Gott für eine reiche Ernte danken, werden anderswo teils noch gute, unverdorbene Lebensmittel einfach entsorgt.

Inhaltsübersicht
180.000 Kilo Lebensmittel für Bedürftige in München pro WocheSPD fordert Entkriminalisierung des ContainernsMünchner Tafel: Lebensmittel sollten gar nicht erst im Müll landenErntedank – mehr als nur Tradition„Eine Überproduktion können wir uns einfach nicht mehr leisten“Im Audio: Wie verhindern wir, dass Lebensmittel im Müll landen?

„Das Erntedankfest ist ein bisschen aus der Zeit gefallen, weil die Mehrzahl der Bevölkerung überhaupt keine Ahnung mehr hat, wie mühsam es ist, Lebensmittel herzustellen“, sagt der Nürnberger Jesuit Jörg Alt im Gespräch mit BR24. „Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass das Zeug nicht vom Himmel fällt.“

180.000 Kilo Lebensmittel für Bedürftige in München pro Woche

In Deutschland fielen 2022 laut Bundeslandwirtschaftsministerium 10,8 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle an. Mehr als die Hälfte davon stammte aus privaten Haushalten.

Gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen, die sich Essen nicht mehr leisten können. Axel Schweiger, Vorstandsmitglied der Münchner Tafel (externer Link), erlebt das jeden Tag, wie er BR24 erzählt: „Die Zahl der Notrufe nimmt zu, wo Menschen nichts mehr zu essen haben – und das inmitten einer im Wohlstand lebenden Gesellschaft.“

Allein in München verteilt die Tafel laut Schweiger wöchentlich rund 180.000 Kilo Lebensmittel an mehr als 22.000 Bedürftige. Viele Supermärkte spenden bereits, doch noch immer landet Genießbares im Müll.

SPD fordert Entkriminalisierung des Containerns

Zum Start der aktuell stattfindenden Aktionswoche gegen Lebensmittelverschwendung hat die SPD erneut gefordert, das sogenannte Containern – das Retten weggeworfener Lebensmittel aus Supermarkt-Tonnen – zu entkriminalisieren. Die Bestrafung sei nicht mehr zeitgemäß, so die Fraktion.

Containern ist in Deutschland strafbar, weil Lebensmittel in Supermarkt-Mülltonnen rechtlich weiterhin dem Eigentum des Geschäfts unterliegen und das Entnehmen deshalb als Diebstahl oder Hausfriedensbruch gilt.

Jesuitenpater Jörg Alt begrüßt die Debatte, bleibt aber vorsichtig. 2022 zeigte er selbst mit einer Containern-Aktion, wie absurd die Rechtslage ist. Er verweist auf das Grundgesetz Artikel 14 Absatz 2, wonach Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll: „Wenn eben Eigentum sozialpflichtig ist, ist das wirklich die Frage, warum es verboten ist, dass Menschen in Not das Essen straffrei aus der Mülltonne holen können“, sagt er.

Münchner Tafel: Lebensmittel sollten gar nicht erst im Müll landen

Das Argument des Handels, dass sich Menschen durch verdorbene Ware schädigen könnten, hält er für nicht besonders stark. Seine eigene Erfahrung beim Containern habe gezeigt: „Mit Augen, Händen und Nase kann man sehr wohl entscheiden, ob Lebensmittel unbedenklich sind.“

Auch Schweiger sieht das Verbot kritisch: „Wer etwas in einen Container schmeißt, der will es nicht mehr haben und gibt sein Eigentum eigentlich daran auf. Warum sollte das jemand anders nicht nehmen dürfen?“ Klar sei aber auch: Lebensmittel sollten gar nicht erst dort landen – sie gehörten in soziale Projekte wie die Tafeln.

Erntedank – mehr als nur Tradition

Auch für den bayerischen Landesbischof Christian Kopp ist Erntedank mehr als Tradition. „Wer Gott für die Gaben der Erde dankt, kann nicht gleichzeitig ihre Zerstörung in Kauf nehmen“, sagt er. Angesichts von Dürren und Fluten versteht er das Fest als Aufruf zu weniger Verschwendung und mehr Gerechtigkeit. „Es ist nicht zu spät. Gott schenkt Zukunft, wenn wir Verantwortung übernehmen.“

Lebensmittel, die im Müll landen, haben zuvor Böden, Wasser, Energie und Transport gebunden. Nach Schätzungen der UN ist die Verschwendung von Nahrung weltweit für rund acht bis zehn Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Jede weggeworfene Mahlzeit verschärft damit nicht nur soziale Not, sondern auch die Klimakrise.

„Eine Überproduktion können wir uns einfach nicht mehr leisten“

Ob in der Kirche, bei der Tafel oder in der Politik – die Botschaft ist ähnlich: Nahrung ist kein Wegwerfprodukt. „Eine Überproduktion und eine Verschwendung wie jetzt können wir uns einfach nicht mehr leisten“, warnt Jesuit Alt. Landesbischof Kopp ruft dazu auf, Verantwortung zu übernehmen: „Es geht um weniger Verschwendung, mehr Gerechtigkeit und einen verantwortlichen Lebensstil.“

So wird das Erntedankfest zum Prüfstein: ob Dankbarkeit nur in den Kirchenbänken gefeiert wird – oder ob sie auch den Alltag im Umgang mit Lebensmitteln verändert.

Im Audio: Wie verhindern wir, dass Lebensmittel im Müll landen?

 

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Von Uta Schröder
Uta Schröder ist eine versierte Kulturjournalistin und leitet das Ressort Kultur der WirtschaftsRundschau. Mit ihrem umfassenden Wissen und ihrer Leidenschaft für Kunst und Kultur bietet sie tiefgehende Analysen und spannende Einblicke in die kulturelle Landschaft.
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