Darauf sollten E-Auto-Käufer achten
BR24 hat nachgefragt in bayerischen KFZ-Werkstätten, bei Versicherern, Autoclubs, dem TÜV und bei den Herstellern. Ergebnis ist eine Sammlung versteckter Kosten, neuartiger Fehlerquellen, bisher unbekannter Verschleißteile und notwendiger Vorsichtsmaßnahmen.
1. Unterschied zwischen Wartungs-und Reparaturkosten
Nie wieder Ölwechsel, keine schleifende Kupplung oder Zündkerzenärger mehr, schnelle Hilfe durch die Hersteller mittels online-Unterstützung: Ja, E-Autos sind wartungsärmer.
Kommt es jedoch zu Reparaturen, steigen die Kosten, teils sogar erheblich. Belege und detaillierte Berechnungen finden sich in zahlreichen Datenauswertungen vom TÜV, dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) und der Allianz Versicherung. Demnach sind Reparaturkosten von Stromern im Schnitt um ein Drittel höher, teilweise sogar noch viel mehr. Beispiel Querlenker bei der Radaufhängung: Das kleine, aber unverzichtbare Teil kostet laut Bayerischem KFZ-Gewerbe beim Tesla Modell S dreimal so viel wie beim BMW 535 Diesel.
Als Nachteil erweist sich auch die hohe Modellvielfalt bei Stromern, die zu weniger Stückzahlen bei Ersatzteilen führt. Anders als bei Verbrenner-Ersatzteilen profitieren E-Autos bislang nicht von kostensenkender Massenproduktion. So kann es manchmal zu Preisunterschieden von mehreren hundert Euro kommen.
2. Unfallschäden bei E-Autos besonders teuer
Die im Vergleich zu Verbrennern deutlich höheren Reparaturkosten bei Elektroautos sind laut Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer des Allianz-Zentrums für Technik, auf vier Hauptgründe zurückzuführen. Er nennt zunächst die hohen Kosten durch beschädigte Antriebsbatterien bei verbesserungswürdigen Tauschkriterien, Diagnose- und Reparaturmöglichkeiten. Zudem führe Unsicherheit beim Umgang mit beschädigten Elektroautos zu hohen Kosten. Etwa, weil sie sehr lange in Quarantäne gelagert oder durch Vorsichtsmaßnahmen wie zum Beispiel Tauchbäder in Löschcontainern zu Totalschäden werden. Außerdem bemängelt Lauterwasser lange Standzeiten sowie hohe Stundenverrechnungssätze in Werkstätten für Arbeiten an E-Autos.
„Wir haben mehr als 125 Jahre Erfahrungen mit Verbrennern, aber nur circa 10 Jahre mit modernen Elektrofahrzeugen. Mit Blick auf Werkstätten, Abschleppunternehmen, Feuerwehren und Gutachtern fehlen deshalb noch Erfahrung und bewährte Verfahren im Umgang mit schwer beschädigten Elektroautos“, so Lauterwasser.
Laut bayerischem KFZ-Gewerbe führt das oft dazu, dass ein abgeschriebener Totalschaden billiger kommt als eine aufwändige Reparatur.
3. Vorsicht beim Abschleppen
Kommt es zu einem Unfall oder der Akku ist leer, kann Abschleppen bei E-Autos zum Problem werden. Weil bei Stromern und auch Hybrid-Pkw stets mindestens eine Achse per Motor Energie erzeugt, fließt auch bei inaktivem Bordsystem Energie mit hohen Induktionsspannungen. Um Schäden an der Steuerungselektronik zu vermeiden, ist daher ein Ladetransporter nötig. Während Verbrenner mit Abschleppseil von anderen Verbrennern problemlos und kostengünstig zur nächsten Werkstatt gelangen, fallen für Transportdienste je nach Anbieter für 10 Kilometer rund 120 bis 170 Euro an.
Auch sollten E-Autofahrer wissen: Abschleppen durch andere E-Autos ist zwar möglich, wegen stark abnehmender Leistungsstärke des Akkus aber sehr reichweitenbegrenzt.
4. Gewichtsbedingter Verschleiß
E-Autos sind meist schwerer als Verbrenner. So ist etwa die benzinbetriebene Mercedes B-Klasse um eine gute halbe Tonne leichter als ihre Elektroschwester EQE. Je höher jedoch das Gewicht, desto höher ist der Verschleiß von Reifen, Stoßdämpfern und Fahrwerk. Und damit die über den Lebenszyklus anfallenden Kosten – bei Reifen etwa doppelt so hoch.
5. Herstellerangaben nicht ignorieren
Betriebsanleitungen für moderne PKW sind mittlerweile umfangreich, komplex und nicht immer sofort verständlich geworden. Oft sparen sich die Hersteller die Papierform und liefern Gebrauchsanweisungen ohne Aufpreis nur noch digital, was Verbraucherschützer kritisieren. Trotzdem ist dies kein Grund, zum Lese- und Wartungsmuffel zu werden.
Insbesondere beim Umstieg aus der gewohnten Verbrenner-Welt empfiehlt sich genaues Studium. Denn gerade mit Blick auf die Elektronik finden sich dort wertvolle Hinweise, die teure Folgeschäden verhindern können. So warnt etwa das Mazda-Handbuch beim Zweier Hybrid vor dem Verstopfen oder Wassereintritt in die Lüftungsschlitze der Traktionsbatterie. Sorgloses Verstauen von Taschen oder Trinkflaschen unterhalb des Rücksitzes ist damit tabu.
Anderes Beispiel: Die Batterien von E-Autos mögen keine Extremtemperaturen. Stromer sollten daher nicht mit voller Batterie in der prallen Sonne oder in Eiseskälte parken. BMW etwa weist darauf hin, auf einer eigenen Homepage mit Ladetipps und empfiehlt einen Batterie-Füllstand von 40 bis maximal 80 Prozent.
Neben Herstellerangaben lohnt sich auch der Blick in einschlägige Foren, in denen sich E-Auto-Novizen wertvolle Tipps holen können.
Fazit der Versicherer: Hersteller und Werkstätten in der Pflicht
Damit E-Auto-Käufer das ungute Gefühl loswerden, als Testfahrer mit hohem Kostenrisiko unterwegs zu sein, sind nach Ansicht des Gesamtverbandes der Versicherer die Hersteller und Werkstätten in der Pflicht. „Wenn die Kosten für Elektromobilität aus dem Ruder laufen, sinkt auch deren Akzeptanz“, folgert Heinz Gressel, Vorsitzender des GDV-Ausschusses Kraftfahrt.
Batterien sollten demnach schon beim Design der Fahrzeuge so gut wie möglich vor Schäden durch Unfälle schützen. Zugleich sollten Werkstätten und Gutachtern aussagekräftige Diagnosedaten zum Zustand der Batterie nach einem Unfall zur Verfügung gestellt werden.
Außerdem sollten wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Anleitungen für die Reparatur und/oder den teilweisen Austausch beschädigter Batterien vorhanden sein. Zudem sollten vermehrt Fachkräfte für die Reparatur von Elektroautos aus- und weitergebildet werden.