Kuratorin Claudia Wagner führt durch das 500 Jahre alte Lochmannhaus, eine Mischung aus herrschaftlichen Räumen und Bauernhaus. Durch die historische Stube und das Schlafzimmer geht es schließlich ein paar Stufen hinab, in eine Kapelle. Claudia Wagner zeigt auf eine geschnitzte Frauenskulptur: die Heilige Katharina. „Das ist das Highlight unseres Museums. Eine Skulptur von Ignaz Günther, ein Highlight der Rokoko-Skulptur. Die Mona Lisa des Hauses, sage ich immer.“
Was hier in Starnberg steht, ist ein Vorzeige-Heimatmuseum. Modern gestaltet, mit einigen durchaus bedeutsamen Exponaten. Und eigentlich war 2024 auch das erfolgreichste Jahr, mehr als 11.000 Besucher. Rekord seit der Gründung vor über 100 Jahren. Doch ausgerechnet in dieser erfreulichen Situation fragt man sich im vergangenen Sommer im Starnberger Stadtrat plötzlich: Können wir uns das Museum überhaupt noch leisten? Die finanzielle Lage der Kommune sei extrem angespannt.
Kürzere Öffnungszeiten, weniger Personal
„Tatsächlich habe ich mit der Diskussion über die Schließung nicht gerechnet“, sagt Museumsleiter Benjamin Tillig, „das ist sehr ärgerlich, weil wir in der bayerischen Verfassung stehen haben, dass Bayern ein Kulturstaat ist. Gerade als kleinere Stadt ist es ganz wichtig und identitätsstiftend, dass wir vor Ort etwas haben, womit wir unsere Geschichte vermitteln können, aber auch neue Impulse reinholen können.“
Seit Jahren wird am Museum gespart: kürzere Öffnungszeiten, weniger Personal, kaum mehr Geld für Sonderausstellungen. Wenn nun sogar in Starnberg über die Schließung eines der renommiertesten Heimatmuseen in Bayern nachgedacht wird, stellt sich die Frage, wie dann erst die Lage in deutlich kleineren Museen aussieht. Etwa 300 gibt es davon in Bayern – noch.
„Das klassische Heimatmuseum, bedarf einer sehr intensiven Behandlung, dass wir die überhaupt halten können. Mittelfristig werden in den nächsten Jahren viele Heimatmuseen schließen“, sagt Andrea May, Museumsberaterin beim Bezirk Mittelfranken. Sie hat seit Jahren mit vielen Heimatmuseen Kontakt, kennt deren Nöte. Um diese zu verstehen, muss man sich die Entstehungsgeschichte ansehen: Zwischen den 1950er und 80er Jahren gab es einen Gründungs-Boom. Die Menschen besannen sich auf ihre Heimat, denn viel davon hatten sie gefühlt verloren, durch das Verschwinden kleinbäuerlicher Strukturen und die nahende Globalisierung.
Neue Besucher-Erwartungen
„Man hat gesammelt wie wild, von der Waschschüssel zum Wäschestampfer, alles, was irgendwie alt war“, sagt May, „Das ist heute schwierig, weil die Besucher sich geändert haben. Die erwarten was anderes, wollen keine ellenlangen Texte und vollgestopften Vitrinen mehr, sondern die wollen Geschichten, was erleben.“
In den vergangenen Jahren mussten bereits einige kleine Heimatmuseen aufgeben. Teilweise wurden die Sammlungsobjekte dann einfach auf Ebay versteigert oder landeten auf dem Wertstoffhof. „Prinzipiell für mich ist jedes Museum, das schließt, ist natürlich ein Verlust“, sagt Museumsberaterin May, „aber wenn man es mal rein objektiv betrachtet, ist es einfach so, dass es vielleicht die in der Masse nicht mehr braucht. Gleichzeitig ist es so, dass man die Museen, glaube ich, schon auch dringend braucht, weil die Menschen sich immer mehr von ihrer Herkunft entfernen.“ Eine Lösung ist: regionale Bündelung. Es gibt erste Versuche in Richtung Kooperation statt Einzelkämpfertum. Im Landkreis Tirschenreuth in der Oberpfalz wurde „Das Zwölfer“ gegründet, ein Zusammenschluss von zwölf Museen mit Website und eigenem Podcast.
Petition für Erhalt
In Starnberg fehlt weiterhin vor allem das Geld. Obwohl sich seit der drohenden Schließung einiges getan hat: Der Freundeskreis des Museums hat eine Petition für den Erhalt gestartet, fast 2000 Unterschriften kamen zusammen. Die Schließung ist wohl erst einmal abgewendet. Man versucht sich jetzt mit Spendengeldern zu helfen. Und einer Ausstellung über den Tod Ludwigs II mit True-Crime-Feeling. Das Museum soll vor allem ein Treffpunkt sein. Es gibt ein Café, Kochkurse, selbst Hochzeiten können hier gefeiert werden. Es reicht nicht mehr, wenn Heimatmuseen lediglich Verwahranstalten der Vergangenheit sind. Sie müssen auch lebendige Orte der Gegenwart sein. Nur so können sie überleben.